soldat

namen

standesamt

Jan Remmes aus Collinghorst,

 Deserteur während der Franzosenzeit

von Heinrich Roskam, Rhaude

 in: Friesische Blätter Februar 1971, Nr. 2 vom 8. Jhg

   Aus einigen interessanten Akten der Commune Collinghorst während der Franzosenzeit  stammt dieser Bericht. Im Volksmunde wird diese Zeit heute noch als "Gripeltid" bezeichnet.

   Der König von Preußen ergriff im Jahre 1744 Besitz von Ostfriesland. Bald darauf meldeten ihm die Stände, daß man ihm nach alter Gewohnheit nicht schuldig sei, Heeresfolge zu leisten; auch wünsche man keine Einquartierung von Truppen. Gegen ein jährliches "Freigeld" versprach der König,  Ostfriesland damit zu verschonen. In der Konzession zur Gründung des Rhauderfehns vom 19. April 1869 betont der König in § 11 ausdrücklich, daß die künftigen Sied- ler ebenso die Privilegien der Befreiung von Militärdienst und Einquartierung genössen wie das übrige Ostfriesland.

   Es sind wohl Gespanne nach den Niederlanden für den König gestellt worden. Fast alle sind verschollen. Zum direkten Dienst  mit der Waffe aber wurde damals zwangsweise noch nicht aufgerufen.

   Dieses änderte sich sofort, als Napoleon Bonaparte zur Macht kam und Preußen geschlagen darnieder lag. Er hatte keine  Bindungen durch Verträge mit den Ostfriesen. Er kam als Eroberer einer Provinz des Königs von Preußen, mit dem er im Kriege lag, und benötigte viele Soldaten, um seine Macht zu vergrößern, um das europäische Rußland zu  erobern und damit die Vormachtstellung in Europa zu erlangen. In den Städten und Dörfern wurde ein Maire (Bür- germeister) bestellt, den man bislang bei uns nicht gekannt hatte.

   In Collinghorst wurde dazu der Hausmann Andreas Hinrichs, ein des Schreibens kundiger Mann, ausersehen und eingesetzt. Collinghorst gehörte in der Franzosenzeit zum Kanton Detern, dieses zum Arrondissement Emden, und dieses wieder zum  Deparment Ost-Ems. Zum Letzteren gehörte das Terrain des jetzigen Ostfriesland ohne das Rheiderland und das Jeverland. Es hatte 12 Kantone. Der Präfekt war in Aurich.

   Wie groß das Kontingent war, das unsere engere Heimat für den Rußlandfeldzug stellen mußte, ist mir nicht be- kannt, doch erzählt der Volksmund, daß es nur wenige waren, welche ihre Heimat wiedersahen.

   Der Jahrgang  1792 wurde im September 1812 aufgerufen und alsbald zur Musterung nach Stickhausen und zur Prüfung (Generalmusterung) nach Leer. Hier wie dort war es bereits zur Meuterei der Fehntjer gekommen, als man sie zur Marine einziehen wollte. Die Rädelsführer hatte man zur Verbüßung einer Ketten-Karrenstrate nach Frank- reich gebracht.

   Bevor unser Jan Remmers den Gestellungsbefehl bekam, war die Rußlandarmeee  Napoleons an der Beresina zusammengebrochen und sein Kriegsglück zu Ende. Die Kunde davon drang schnell durch das Land. So wird es wohl zu erklären sein, daß 75 von den 318 Mann in unserem Departement, als sie Anfang  April eingezogen werden sollten, entweder der Aufforderung keine Folge leisteten oder auf dem Wege zu ihrer Garnison davonliefen. Von den 75 Deserteuren waren 14 aus dem Kanton Leer und 6 aus Detern. Diese waren Johann Janssen Aswege, Jan Hanssen Struck, Jan Remmers, Frerich Claassen, Ahlrich Harm Buther und Harm Habben. In einer Bekanntmachung des Präfekten vom 22. Mai 1813 werden alle 75 Namen genannt und zugleich ihre Ersatzleute  aufgerufen.

   Es heißt dort: "Vorbenannte Conscribirte sind nun denen Herren Procureurs der respectiven Tribunale erster Instanz durch ein Arrêté namentlich angegeben, und dieselben ersucht worden, sie als Widerspenstige zu condem- niren und in die gesetzliche Strafe zu verurteilen. Solches muß vorgeschriebenermaßen in Monatsfrist geschehen, und, sobald die Verurteilung erfolgt ist, ist die an dem  Contingent eines jeden Cantons annoch fehlende Mannschaft aus den folgenden höheren Nummern auszurufen. (Auch damals mußten die Wehrpflichtigen ein Los ziehen, die niedrig- sten Nummern wurden zuerst eingezogen).  Diejenigen, welche solchenfalls obenerwähnte Widerspenstige zur Com- pletirung des Contingents remplaciren müssen, sind folgende: Broer Berends, Jannes Hanken Jannessen, Freerk Janßen Butjer, Hermann Lorenz, Jan Gerdes  Baßeler und Hinrich Onken van Mark für den Kanton Detern."

   Am Schluß heißt es dann: "Diesen namhaft gemachten Conscribirten kann es gewiß nicht gleichgültig sein, daß Erstgedachte sich ihrer gesetzlichen Verbindlichkeit ungehorsam entzogen haben, vielmehr wird es ihnen unerwartet vorkommen, wenn sie demnächst zur Completirung des Contingents, als unausbleibliche Folge der Widerspenstigkeit ihrer  Mit-Conscribirten, aufgerufen werden sollten. Ihr wesentliches Interesse erfordert es daher, daß sie sich wegen Ausforschung des Aufenthalts der Widerspenstigen alle mögliche Mühe geben und der Gendamerie dann  behülflich sind, damit selbige ergriffen werden und zu ihrer Pflicht angehalten werden können; und dies ist der eigentliche Zweck dieser Bekanntmachung, wobei ihnen zugleich eröffnet wird, daß diejenigen  Widerspenstigen, welche in dem Zeit- raum von 30 Tagen, von heute an gerechnet, dergestalt ausgekundschaftet werden, daß die Gendamerie ihrer leibhaftig werden kann, annoch dem zu liefernden Contingent zugute gerechnet werden sollen, wogegen auf der anderen Seite in keinem Fall die Aufforderung höherer Nummern zur Completirung desselben zu vermeiden ist. Zur Verhütung eines solchen Falles sind bereits von hier aus die kräftigsten Maßregeln genommen, indem nach dem Arrondissement Jever die ganze Reserve-Compagnie als Garnisairs abgegangen, welches für manche Familie und Commune schon sehr kostspielig gewesen ist. Es erfordert aber das Interesse  der Eltern und Verwandten wider- spenstiger Conscribirten, ja jeder Einwohner des Departements ist es seiner Selbsterhaltung schuldig, der Gendar- merie zur Habhaftwerdung derselben behülflich zu sein, indem, wenn der Zweck hierunter verfehlt werden sollte, sehr leicht der Fall eintreten kann, daß von Paris aus eine Colonne mobile nach diesem Departement beordert wird, welches für den größten Teil der Bewohner desselben die  schrecklichsten Folgen nach sich ziehen würde. Damit nun die hierbei zunächst interessierten Conscribirten ihre desfallsigen Bemühungen mit Erfolg unternehmen können; so werden die respectiven Herren Maires ersucht,  jedem derselben ein Exemplar von dieser Bekanntmachung zuzu- stellen, auch solche gewöhnlichermaßen affigiren zu lassen. Aurich, den 22. Mai 1813 Der Präfekt des Departemens der  Ost-Ems       Jannesson"

   Alles, was in dieser vorstehenden Bekanntmachung angedroht wurde, machte man auch in Collinghorst wahr. Französische Soldaten und  Gendarme kamen nach Collinghorst auf Kosten der Commune und suchten nach Jan Remmers. Für die Zeit vom September bis zum 17. Oktober, für die eine Abrechnung vorliegt, kostete das die Kleinigkeit von 409 Gulden, 6  Stüber und 9 Schaap. Die Kuh des Vaters von Jan Remmers brachte um dieselbe Zeit auf der Zwangsversteigerung 29 Gulden 14 Stüber ein.

   Dieser unglückliche Vater namens Remmer Janßen wird zum Vergleichsbüro nach Stickhausen und anschließend vor das Militärtribunal nach Emden beordert.

   Am l. Oktober 1813 begibt sich der zuständige Vollzieher E. W. Olthoff mit 2 Taxatoren zu dem Hause des Remmer Janßen nach Glansdorf Nr. 56 und beschlagnahmt alles, was er vorfindet. Die taxierte Summe wird mit 291 holländischen Gulden 18 Stüber angegeben. Darin ist das Haus mit 200 Gulden enthalten.

    Am 25. Oktober ist die Versteigerung des Inventars. Sie erbringt 158 Gulden 13 Stüber. Verkauft wird sogar das Bett und das Hangeisen zum Herd, die gesamte Ernte und das Vieh, eine Kuh, ein Rind und neun Schafe. Die meisten Käufer sind aus dem Kirchspiel Collinghorst. Die Kuh kommt nach Backemoor und die Feuerzange nach Holte zum Isaak Florberg <nicht im KB Rhaude!>,

   Was weiter wurde, geht aus den Akten nicht hervor. Auch nicht, ob Remmer Janßen später entschädigt wurde. Das ist wohl kaum anzunehmen, weil Ostfriesland nur kurze Zeit preußisch blieb und schon 1815 zum neu gegrün- deten Königreich Hannover geschlagen wurde.

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Aus dem OSB Collinghorst 956:

Remmer Janssen, Hausmann zu Collinghorst, 

* 16.3.1757 Collinghorst (Sohn des Jan Janßen oo Trinke Harms (Ricken));

 + 19.5.1833 Collinghorst,

oo 26.11.1785 Collinghorst,

Peterke Janssen,

* 19.8.1758 Breinermoor (Tochter des Jan Dirks oo Apollonia Janssen);

 + 20.7.1799 Collinghorst, auf dem Weißen Mohr

 Kinder:

Hindertje, * 25.2.1786 Collinghorst;   + 7.4.1802 Collinghorst

   Pate: Engel Hinrichs

Gescke, * 20.10.1788 Collinghorst;   oo 1826 mit Jan Hewwen Deepen, s. Nr. 282 ( cf OSB Potsh 316)

 Jan, * 27.6.1792 Collinghorst;     oo 1820 nach Driever <siehe unten!>

   Pate: Ricke Janssen

 Hemme Dirks, * 14.8.1795 Collinghorst;   oo  1828 Ricke Groeneveld, s. Nr. 1572

   Pate: Wiemke M. Gerdes

 Apollonia, *  7.7.1797 Collinghorst;   oo 1830 mit Danje Neman, s. Nr. 1354

   Pate: Engel Hinrichs

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 Jan Remmers heiratete nach Driever:

   OSB Diever 407:

Jan Remmers Hessenius, Arbeiter zu Lütje-Driever,

 * 27.6.1792 Collinghorst (Sohn des Remmer Janssen oo Peterke Janssen, s. OSB Collinghorst 956);

+ 16.1.1850 Driever

oo 1.7.1820 Driever (-/sie 21 Jahre alt),

Wupke Harms,

* (1799) Großwolde (Tochter des Harm Janssen oo der weiland Tiede Geerds zu Großwolde);

   Kinder:

Harm, * 2.7.1822 Driever;    oo s. 406

Remmer Janssen, * 7.11.1824 Driever;    oo s. 413

Teetje, * 12.9.1827 Driever;    oo s. 913

 Peter. * 13.8.1831 Lütjedriever;    oo s. 411

Geeske, * 9.12.1834 Lütje-Driever;   + 11.4.1846 Weekeborg

Jan, * 5.8.1838 Driever;    oo s. 408

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413. Hessenius, Remmer Jans, Arbeiter zu Holtgaste, * 7.11.1824 Driever, oo proclamiert 10.4.1859 Driever (cf OSB Jhrhove 1771), Gertruda Roskamp 804,  * 23.6.1820 Oldersum

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408. Hessenius, Jan Janssen, Arbeiter zu Mark, s. OSB Mitling-Mark 391, * 5.8.1838 Driever, oo 3.4.1869 Grotegaste (Grotegaste 433), Engel Harms Haak 368, * 30.7.1841 Grotegaste

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406. Hessenius, Harm Janssen, Arbeiter zu Weekeborg, * 2.7.1822 Driever, oo 17.5.1854 Grotegaste (OSB Grotegaste 430), Wobbina Jürgens Bafing 68, Dienstmagd zu Dorenborg, * 9.12.1821 Breinermoor (OSB Breinermoor 445)

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411. Hessenius, Peter, Briefbote zu Weekeborg, * 13.8.1831 Lütjedriever; + Ihren, # 11.5.1888 Jhrhove (OSB Jhrhove 1770), oo 1.5.1862 Jhrhove, Wupke Hinderks Nolte 720, * 13.11.1825 Patersweg; + Ihren, # 3.6.1910 Jhrhove

   Kinder:

Wopke, * (?); oo s. 965

Johanna, * (?);  oo s. 588

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913. Süttmann, Peter Jans 912, Bürstenmacher zu Möhlenwarf, *  21.8.1819 Tichelwarf, oo proclamiert 27.1.1850 Driever, Teetje Hessenius, Maid zu Weenermoor, * 12.9.1827 Driever

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