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1945/48

Womit auch einfache Leute rechnen mußten

Währungsvielfalt im 18. und 19. Jh. am Beispiel der Kolonie Firrel

Von Johann Wilken (in: Unser Ostfrieslnd Nr. 15/1999, S. 59f)

Die bekannte und in der Fehnbevölkerung ehrfürchtig bestaunte 20-Mark-Goldmünze Wilhelm II. von 1913 brachten der  eine oder andere Kapitän auch mal mit nach Hause. Manchmal kam es vor, daß der Postbote die Heuer eines Seemannes seiner Frau auf dem Fehn in solchen Münzen auszahlte, was immer und immer wieder in der  Familie berichtet wurde.

 In der Münzstätte Aurich geprägter Talher mit dem Porträt von König Friedrich II., 1765.

 Wegen der Bebauung des Firreler Moores fand am 13. September 1762 in Bagband ein Termin der preußischen Kriegs- und Domänenkammer mit den Interessenten statt. Zehn Bagbander Heuerleute hatten zuvor am 23. August d. J. um die Erlaubnis ersucht, im Firreler Moor zu siedeln. Dem Antrag wurde unmittelbar zugestimmt und bereits bei der Zusammenkunft am 13. September wurden mit den zukünftigen Kolonisten die Bedingungen für die Übernahme der Erbpachtsgrundstücke ausgehandelt. Auf der Heidefläche am Rande des Moores sollte jeder Kolonist 50 Quadratruten (ca. 700 qm) Sandland zum Hausbau und für einen Garten erhalten und dahinter jeder 1 ½ bzw. 2 Moordiemat Buchweizenland. Ein Moordiemat rechnet 450 Quadratruten. Verbunden mit der Übernahme der Erbpacht war auch ein  Servitutsrecht für die Kloster Barther Weide. Es wurde den Kolonisten zugestanden, daß jeder vier Stück Vieh in die Barther Weide treiben durfte. Dieses Nutzungsrecht wurde dann allerdings zum Ausgangspunkt für die über 130 Jahre andauernde Auseinandersetzungen zwischen den Firreler Kolonisten und den Pächtern der Domäne Kloster Barthe um die Weiderechte. Für die 50 Quadratruten Sandland zur Hausstelle hatte jeder Kolonist 13 Schaf und 10 Witte an die Rentei zu zahlen. Für das Buchweizenland waren zusätzlich pro Moordiemat l Reichstaler an Erbpacht zu entrichten.

Schon hieran wird  die Währungsvielfalt jener Zeit erkennbar. Schaf und Witte aus dem alten ostfriesischen Stübersystem, das etwa seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in Ostfriesland gebräuchlich war und Reichstaler! Als Firrel gegründet  wurde, rechnete man 54 Stüber auf den Reichstaler. 10 Witten machten einen Stüber und 20 Witten ein Schaf. Ein Schaf war also ein Doppelstüber, so daß 27 Schaf ebenfalls einen Reichstaler ausmachten.

    Den Reichstaler gab es in Norddeutschland seit dem späten 17. Jahrhundert. Er war aber zeitweise nur Rechnungsmünze, ohne daß es eine reale Münze dieses Werts gab. Erst als ab 1838 der Verteinsthaler  geprägt wurde, gab es eine Münze, die auch rechnerisch dem Wert des Reichstalers entsprach. 24 Groschen machten einen Taler und 12 Pfennig einen Groschen. Die Koloniegründer mußten alsovon Anfang an parallel in zwei Währungssystemen rechnen.

   Bei der Neuverpachtung des Klosters Barthe im Jahre 1762 wurden für den Domanialbesitz, einschließlich der dort befindlichen 600 Schafe und 10 Kühe, 300 goldene  Pistoletten angesetzt. Eine weitere Rechnungsmünze für "den großen Verkehr" war also die Pistole. Pistolen bestanden keineswegs immer in gleicher Parität zum Reichsthaler. Ein langfristiger- Mittelwert war 5  1/2 Reichstaler auf die Pistole.

   Die Banken in den Städten <?> gaben täglich Kurszettel heraus, denen der Wert zum Reichstaler zu entnehmen war, und in Verträgen gab man an, mit welchem  Kurs die Pistole gerechnet wurde. So wurde bei der Verpachtung 1762 die Pistole zu 5 Reichstalern festgeschrieben.

   Im Jahre 1808 schloß Jürn Janssen Kayser, der Sohn einer der ersten Siedler in  Firrel, mit seinen Kindern einen Erbvertrag. Kayser bewertete das Erbteil für seinen jüngsten Sohn, bestehend aus dem Haus und dem Anteil am Osterhörn mit 1400 Gulden in Gold. Leider ist nicht zu erkennen, ob es sich um  holländische oder um ostfriesische Gulden handelte. Auch Gulden ließen sich in Reichstaler umrechnen.

   Nach einem Schulbuch von 1806 machten 16 Groschen einen Gulden aus. Drei Gulden machten 2 Taler. Ein Gulden hatte also den Wert von 2/3 Taler. Für den Gulden gab es keine feste Vorschrift zur Unterteilung in kleinere Scheidemünzen. Das war auch nicht nötig, wie folgende Zusammenstellung verdeutlichen soll: l Reichstaler = 1 ½ Gulden = 24 Groschen = 288 Pfennige; l Gulden = 16 Groschen = 192 Pfennige; l Groschen = 12 Pfennige.

   In Ostfriesland war sowohl der niederländische Gulden (schlechter Taler), wie auch der Ostfriesische (Emder) Gulden in Umlauf, die allerdings unterschiedliche Werte hatten. Eine gute Münzwährung war damals noch von "echtem Schrot und Korn" (Schrot = Gesamtgewicht einer Münze; Korn =  Reingewicht des Edelmetalls einer Münze), d. h. der aufgedruckte Wert entsprach auch dem tatsächlichen Wert des Edelmetalls.

   1771 nahmen Johann Hinrichs Keiser, sein Schwager und Nachbar Gerd  Gerdes, sein Sohn Jürgen Janssen Kayser und Jan Gerdes Kuper den am Oldehaver Gehölz gelegenen Osterhörn in Erbpacht. Die alljährlich zu zahlende Erbpacht betrug 34 Reichstaler 13 Schaf und 10 Witte. Dazu kam noch ein  Schreibgeld in Höhe von 3/4 Stüber. Diese Lasten mußten von den vier Erbpächtern gemeinschaftlich getragen werden. Als sich die Erben dann 1835 entschlossen, die gemeinschaftliche Nutzung aufzugeben und für den  Osterhörn eine Realteilung vornehmen zu lassen, mußte auch das Geldgefälle geteilt werden. Im Hypothekenbuch wurde das jährliche Gefälle in drei Spalten, jeweils noch einmal dreifach unterteilt nach Reichstaler, Groschen und Pfennigen, eingetragen. Die linke Spalte, überschrieben mit Pistolen, nimmt die Reichstalerwährung in Gold auf und in der rechten sind Courant, also Reichstaler in Silber, eingetragen. Die auf jedem Anteil lastenden herrschaftlichen Geldgefälle betrugen demnach 7 Rthl. und 12 Groschen in Gold und jeweils l Rthl. und 5 Groschen in Courant. Dazu kamen noch 4 Groschen Schreibgebühren, ebenfalls in Courant. Die mittlere  Spalte trägt die Überschrift: "Ducaten". Dort wären Geldgefälle in Goldgulden einzutragen gewesen. Solche wurden für den Osterhörn aber nicht festgesetzt. Die Umschreibung kostete für jeden Eigentümer noch einmal Amtsgebühren in Höhe von 3 Groschen, die in Preußisch Courant an die herrschaftliche Kasse zu zahlen waren. Preußisch Courant ist in einer weiteren, vierten spalte extra ausgewiesen und scheint die Währung gewesen zu sein, die tatsächlich bar an die Kasse gezahlt werden mußte, und die in ihrem Wert mit dem Rechnungstaler in Courant übereinstimmte. Das Ergebnis der Berechnung lautete:

   "Der  Erbzins beträgt 32 ½ rl. Gold, oder nach der jetzigen Registerberechnung die Pistole zu 5 2/3 rl. Cour. Gerechnet 36 rl. 20 gr. Und in Cour 2 rl = Summe Courant 38 rl. 20 ggr."

   Die Firreler Kolonisten mußten also gleichzeitig in Reichtaler Courant, in Dukaten oder Gulden und in Reichstaler Courant rechnen können. Wobei Preußisch Courant nochmals - quasi als vierte Währungseinheit - gesondert  ausgewiesen ist. Es liegt nahe, daß die Goldwährung die Rechnungswährung für den "großen Verkehr" war und in unserem Raum hauptsächlich für Bewertungen von Vermögen herangezogen wurden. Ihren tatsächlichen Zahlungsverpflichtungen dürften die Kolonisten wohl in Silberwährung nachgekommen sein, denn diese galt als die Rechnungswährung für den "kleinen Verkehr".

   Daß die Kolonisten mit  dieser Vielfalt an Währungen durchaus umgehen konnten, zeigt ein anderes Beispiel. 1834 sollte das Kolonat des Gerd Reiners Collman versteigert werden. Als Schätzer wurden die beiden Siedler Harm J. Wemken und Jürgen J.  Keiser von der Amtsverwaltung in Stickhausen bestimmt. Ihr Bericht ergab folgendes Bild:

   "... Das Haus schätzen wir auf 845 Gulden Cour. Das Land, worauf das Haus stehet (...) schätzen wir zusammen auf 970 Gulden Cour. Die Lasten hierauf sind folgende: a. An Erbpachtzins 3 rr 18 ggr. nebst Schreibgeld 2 ggr. 8 pf.; b. Schutzgeld vom Hause 12 ggr. nebst Schreibgeld l ggr 4 pf. Summa 4 rl. 10 ggr. Die  alljährlich an die Königliche Rentei zu Stickhausen bezahlt werden; d. an den Prediger zu Hesel 13 ½ Stüber, an den Schullehrer daselbst 6 ¾ Stüber; e. an Grundsteuer jährlich 6 Gulden; f. an Haussteuer jährlich 11 Stüber; g. an Communal Lasten jährlich 2 Gulden 14 Stüber: Summe: 10 Gulden 5 ½ Stüber.

l. Das Haus und Land zusammen 1814 Gulden Cour.;

2. Die Lasten zusammen 8 rl 5 ggr 4 pf."

   Hier zeigt sich, daß auch 1834 noch mit dem Stüber gerechnet wurde. 20 Stüber machten einen Gulden.

   Als sich die Auseinandersetzungen zwischen den Kolonisten und den Erbpächtern von Kloster Barthe um die Weiderechte zuspitzen, wurden die Firreler wiederholt von der Finanzdirektion verklagt und mit den daraus entstandenen Kosten belegt. Die "Kostenrechnung in Sachen der  königlichen Finanzdirektion zu Hannover wider die Kolonisten Schöne und Genossen zu Firrel" wurde für den Zeitraum von 1869 bis 1878 in Reichstaler, Groschen und Pfennig ausgestellt. Nach 12. 2. 1876 wurde die  Auflistung aber durch Bildung einer zwischensumme von 263 Reichstaler 17 Groschen und 6 Pfennig unterbrochen. Darunter heißt es: "oder 790 RM 75 Pf." Die Reichstaler wurde zu 3 Reichsmark umgerechnet. Danach  wurde die Kostenfestsetzung in der Reichsmarkwährung fortgesetzt und damit auch in das uns vertraute Dezimalsystem.

   Quellen:  StA Aurich, Rep 6, 2747; Div. Dokumente im Privatbesitz der Fam. Keiser, Bauer, Wilken u. Meyer, Firrel; W. Hase / G. Dethlefs. Damit mußten sie rechnen... auch auf dem Lande. Zur Alltagsgeschichte des Rechnens mit  Münze, Maß und Gewicht. Cloppenburg, 1994; P. Weßels, Barthe. Zur Geschichte eines Klosters und der nachfolgenden Domäne ... Norden 1997.

Anmerkung: Dieser Artikel scheint mir in einigen Punkten nicht ganz korrekt zu sein. M.T.Heinze

"Darf es ein bißchen mehr sein?”

Alma Bruns (links) von der Bäckerfamilie Kleimaker aus Nüttermoor in der Waage-Ausstellung des Heimatmuseums vor einer  ähnlichen Kaufmannswaage, wie es sie nach dem Krieg in Kleimakers Kolonialwarenladen gab. Neben ihr steht Elke Frantzen aus Loga mit einer der sieben Waagen, die sie dem Museum aus ihrer privaten Sammlung  für die Ausstellung zur Verfügung gestellt hat.Foto: Fertig

Waage verschwunden – Geschichte lebt

 Freunde des Heimatmuseums lassen sich anregen von Wiegen- und Waage-Ausstellung

 Schöne Geschichten ranken sich um die Ausstellung zu Wiegen und Waage im Heimatmuseum.

Von Astrid Fertig (OZ v. 1.5.2001)

Leer. Gut angelaufen ist nach den Worten von Herbert Oppermann die Ausstellung "Darf es ein bißchen mehr sein - aus der Geschichte des Wiegens und der  Waage in Leer" im Heimatmuseum. Am 18. März wurde die Ausstellung eröffnet, sie läuft bis zum 28. Oktober. "Für unsere Verhältnisse haben wir guten Besuch", sagt Oppermann. Er lobt den Förderverein der  "Waage" unter Vorsitz von Fokko Büttner, der sich sehr rührig zeigt und viel Werbung für die Ausstellung macht.

Elke Frantzen und ihr Mann Heribert haben von Marco Boelmann erfahren, daß das Heimatmuseum historische Waagen zeigen will. Der elfjährige Marco geht in der Osterstegschule bei Herbert Oppermann in die Klasse. Der OS-Schüler wußte, daß Elke Frantzen, ein Freundin seiner Mutter, alte Waagen sammelt. Franzens sind überhaupt Antiquitätenliebhaber. Das Interesse an Wiege-Instrumenten fing mit Gewichten an, erzählt Elke Frantzen. Das steigerte sich, und heute besitzen sie zwölf historische Waagen. Sieben davon  sind jetzt im Heimatmuseum ausgestellt.

Elke Frantzen findet das ganz toll. Sie hat sich die Ausstellung mehrmals angesehen und führt auch Besuch ins Heimatmuseum. Durch die Ausstellung hat sich ihr Wissen  über ihre eigenen Raritäten noch vertieft. So hat Günter Kellberg Porzellangewichte, die Frantzens nach Österreich einordneten, als polnischen Ursprungs identifiziert.

Kellberg ist Kenner. Er wohnt in Rechtsupweg, gehört dem Verein "Maße und Gewichte" an, und hat dem Museum 25 seiner Sammlerstücke zur Verfügung gestellt. "Am Eröffnungstag brachte er zwei Taschen voller Waagen mit", erzählt  Oppermann erfreut. Auch das Heimatmuseum aus Esens hat sich gemeldet und ein sehr schönes, altes Flachsgewicht aus Blei geliehen.

Gemeldet hat sich auch Irmgard Schneider aus Mannheim. Sie ist eine  Enkeltochter von Aleida Kleimaker, deren Familie das Bäckerei- und Kolonialwarengeschäft in Nüttermoor betrieb. Erst voriges Jahr vor Heiligabend hat Eilt Kleimaker, der letzte Bäcker von Nüttermoor, sein Geschäft geschlossen.

Irmgard Schneider schildert in einem Brief an den Heimatverein eine Begebenheit aus dem Mai 1945: Nach Kriegsende zogen kanadische Besatzunger durch Nüttermoor. In Kleimakers Laden sahen sie  die schöne, große Waage mit den Messingtellern. Die Gewichte gefielen ihnen besonders, sie spielten damit herum, und schließlich steckte jeder eines ein.

Aleida Kleimaker versuchte, den Soldaten begreiflich zu machen, daß sie diese Gewichte dringend benötigte. Sprachprobleme verhinderten jedoch die Verständigung. Schließlich fing sie an zu weinen und immer wieder "Existenz, Existenz" zu rufen. Ihre Töchter  standen neben ihr und weinten ebenfalls.

Darauf stellte der Offizier sein Gewicht zurück in den Ständer, und auch seine Soldaten rückten verstohlen einer nach dem anderen die Gewichte wieder raus. Die  Bäckersleute waren froh und erleichtert, denn wo hätten sie nach dem Krieg neue Gewichte hernehmen sollen?

Eine, die sich auch noch gut an diese Geschichte erinnert, ist Alma Bruns aus Nüttermoor, Cousine  von Irmgard Schneider. Sie hat selbst in Kleimakers Geschäft hinter dem Tresen gestanden. Was jedoch aus der schönen Kaufmannswaage geworden ist, das weiß auch sie nicht.

Doch Waagen kann man sich ja im  Museum zur Genüge ansehen. Am Sonntag, 20. Mai, internationaler Museumstag, ist das Heimatmuseum von 11 bis 17 Uhr geöffnet.

(Leider gibt es zu dieser Ausstellung keinen Katalog. Es wäre sicherlich dienlich  gewesen, einmal auf die vielen verschiedenen Maßeinheiten in Ostfriesland während der letzten Jahrhunderte hinzuweisen.)

Kellberg ist Kenner.  Er wohnt in Rechtsupweg, gehört dem Verein "Maße und Gewichte" an, und hat dem Museum 25 seiner Sammlerstücke zur Verfügung gestellt.

Schade, daß kein Katalog erstellt wurde!     mth

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