Gemeinde-Ordnung des Kirchspiels Collinghorst
von Heinrich Roskam, Rhaude. In: Friesische Blätter, Februar 1971, Nr. 2, 8. Jhg.
Im Ostfriesischen Landrecht, das von Matthias von Wicht um das Jahr 1746 aus alten Handschriften druckfertig gernacht wurde und dann bei Tapper in Aurich erschien, ist im Buch 3, Kapitel 100 von der Averkoeren die Rede. Wie der Name sagt, galten diese Verordnungen für das gesamte Friesland, für die Sieben Seelande. Diese "Überkühren" sind ein Beistandspakt und regeln die Grenzen und Rechte der einzelnen Seelande zueinander. Sie wurden am Upstalsboom bei Aurich von den Abgesandten der sieben friesischen Seelande angenommen.
Im Gegensatz dazu waren die Willkoeren ein mit dem ausdrücklichen Willen erwähltes Recht. Dieses Recht konnte sowohl für das Gebiet eines Seelandes als auch für einzelne Kirchspiele und Bauernschaften gelten. Es regelte die Eigentumsverhältnisse der Interessenten und war somit lokales Recht.
Die Willkühren der einzelnen Bauernschaften waren in den wenigsten Fällen aufgeschrieben. Sie bestanden aus mündlichen Überlieferungen, waren daher sehr ungenau und gaben oft zu Streitereien Anlaß, die manches Mal in Schlägereien ausarteten. Solche Streitigkeiten sind uns bekannt zwischen Rhaude und Collinghorst, Rhaude und der Fehnkompagnie, Collinghorst und Holte, Roggenbarg (Johanniterorden) und Barge, Nortmoor und Brinkum.
Die daraus entstandenen Gerichtsverhandlungen sollten auf Grund von Aussagen alter Leute entschieden werden. Die Prozesse zogen sich manchmal über Jahrzehnte hin. Um diesem Übel abzuhelfen, mußte die Regierung zusehen, die mündlichen Überlieferungen möglichst zu sammeln.
Der erste Versuch hierzu datiert vom 30. April 1780 und geht von dem damaligen Herrscher Ostfrieslands, dem König von Preußen aus. Der Amtmann von Stickhausen, von Glan, berichtet am 11. September desselben Jahres, daß nur in Detern ein geschriebenes Bauernrecht vorhanden sei, daß aber der dortige Bauernrichter Harm Harms das vom Jahre 1658 stammende Original nicht auffinden könne. Ein Extrakt (Auszug) sei jedoch ad acta vorhanden.
Am 21. Juni 1792 wurden die 14 Kirchspiele innerhalb des Amtes Stickhausen aufgefordert, ihre vorhandenen Gewohnheitsrechte aufzuzeichnen und beim Amt einzureichen. Es antworteten bei uns nur die Kirchspiele Rhaude-Holte, Collinghorst, Breinermoor und Backemoor mit Schatteburg ausführlich. Neuburg gab einen negativen Bescheid.
Die Willküren des Kirchspiels Collinghorst lauteten wörtlich wie folgt:
"Staatsarchiv Aurich, Rep. 5/580, Justizsachen
Auf das am 10. Juli zugesandte Circular-Rescript über die in Dörfern und Communen hergebrachten und befindlichen Rechte, Statuten und Gewohnheiten: Weil aber davon wenig schriftliche Dokumente vorhanden, so muß man sich auf Gewohnheit von undenklichen Jahren berufen, welches zum Teil hier folget, als
1. Haben Bauerrichter die Aufsicht über alles, was die Commune gemeinschaftlich angehet, als über Gemeindewege, Tillen, Pumpen, Wasserleitungen, Wälle, Hecken, Holzungen.
2. Können Bauerrichter Zusammenkünfte der Gemeinde anordnen, und wer auf die bestimmte Zeit nicht erscheinet, sogleich ohne alle Rücksicht durch ein Pfand bestrafet werden.
3. Die Heerwege im Dorfe werden von den Interessenten allein gemacht und hat jeder darauf sein Pfand. Die Heerwege außerhalb des Dorfes werden von den Interessenten, den Häuslingen und Colonisten gemeinschaftlich gemacht Die Heerwege gehen bis Jan Hinkens Haus in Schatteburg und bis zur Rau-der Grenze, Der Torfweg wird von den Interessenten, Häuslingen und Colonisten, die denselben mitbrauchen, gemacht.
4. Ist jeder Interessent (die Häuslinge und Colonisten haben gar kein Recht) gehalten, wenn er Leim (Lehm) oder Sand aus der Gemeine-Weide gräbet, das Loch zu schlichten, wo nicht, so kann der Bauerrichter ihn dazu anhalten und strafen.
5. Haben Eingesessene im Dorf nebst Colonisten volle Freyheit, ihr Wasser vom Dorf, Gemeine Weide, Länder und Moratzen nach den Sielen zu leiten, wohin es allezeit geflossen ist.
6. Muß jeder Interessent, Häusling und Colonist für jedes Haus und jede Kuh gegen ein Diemath Meetland zum Siel contribuieren, ohne dafür das Weidegeld zu kürzen.
7. Gänse weiden und Plaggenslich ist wegen der geringen Weide vor Jahren abgeschattet.
8. Häuslinge und Colonisten dürfen keine Pferde halten, für eine Kuh müssen sie 30 Stüber geben. Vor langen Jahren haben sie auch ein höheres Weidegeld bezahlet, nämlich 40 Stüber.
9. Wenn der Bauerrichter einem Interessenten, Häusling oder Colonist als straffällig ein Pfand abholen, und derselbe es nicht in 8 oder höchstens 14 Tagen wieder einlöset, so können Bauerrichter solches nach Bekanntmachung verkaufen.
10. Müssen diejenigen, welche Bau- oder Weideland an der Commune Weide liegen haben, allein den Wall erhalten und ihr Land befriedigen: als Jan Harms und Wilke Anthons aus Bakemohr, Jan Hinken und Harm Berent zu Schatteburg als auch verschiedene aus der Hol-ter Commune, wie auch die hiesigen Eingesessenen nebst den Colonisten.
11. Anno 1751 ist gerichtlich ausgemacht, daß diejenigen Torfmohrte, welche an die Gemeine Weide grenzen, worunter Jan Hinken, Harm Berents und Albert Nannen zu Schatteburg mit gehören, daß das ausgegrabene Leeg-Mohr zur hiesigen Gemeine Weide liegen bleiben soll.
12. Sind vor undenklichen Jahren die Moratze, soweit unsere Grenzen strekken, unter die Gemeinde verteilt, und zwar im Osten bis die Interessenten von Raude und Johanniter-Orden, im Süden soweit das Wildemorgensmeer strecket, im Westen an das Leerder Amt, als Volmhusen und Ihren."
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