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Der Hatzumer Landwirt Hermann Wübbena kann das Theater um die Maul- und Klauenseuche nicht verstehen. Früher habe man die Sache viel gelassener gesehen, sagt der 78-jährige.                                                                     Foto: Ortgies (OZ/E v. 6.3.2001)

 Keine Panik vor der Seuche

Von Marion Luppen

   Ostfriesland. Hermann Wübbena aus Hatzum kann die Aufregung um die Maul- und Klauenseuche nicht verstehen. "Ich habe einige Seuchengänge mitgemacht", sagt der 78-jährige Landwirt, der auf einem Bauernhof  aufgewachsen ist und dessen Sohn ebenfalls Landwirt ist.

   Es muß 1936 oder 1937 gewesen sein, da ging die Seuche wie ein Lauffeuer durchs Rheiderland, erinnert sich Wübbena. "Mein Vater hat  dafür gesorgt, daß sich alle Tiere anstecken konnten." Wie bitte? "Aufhalten kann man die Seuche sowieso nicht, genauso wenig wie jetzt, also ist es besser, wenn alle Tiere sie möglichst schnell hinter sich  haben." Die Tiere wurden mit Kohlblättern gefüttert, auf denen sich Schleim erkrankter Artgenossen befand. Klingt ekelhaft und wirkte. "Die Tiere konnten ein paar Tage nicht fressen",   sagt  Wüb- bena. "Wenn die Maulgeschichte vorbei war, kam das mit den Klauen." Die Tiere litten, aber, und das weiß Wübbena noch genau: "Krepiert ist uns keins."

   Niemand wäre  damals auf die Idee gekommen, Tiere notzuschlachten, nur weil sie Maul- und Klauenseuche haben. "Das hätte man sich nicht leisten können", sagt Dr. Hermann Ringena, Tierarzt aus Emden. Der 59-jährige ist auf einem Hof in Westerhusen aufgewachsen und kann sich an einen Seuchenzug Anfang der 50er Jahre erinnern. "Die Kühe waren zu schwach, um zum Melkstand zu gehen", sagt er. Gemolken wurden sie trotzdem, direkt auf der Weide.

   Die Milch der kranken Kühe sei mit einem Zettel "MKS-Milch" an der Kanne zur Molkerei gebracht worden, erzählt Ringena. Sie sei in der Molkerei erhitzt worden, um die Viren  abzutöten. Wegschütten? Niemals. Schließlich sei die Maul- und Klauenseuche für Menschen ungefährlich.

   "Früher ging man mit Seuchen um", sagt der Tierarzt. "Heute wird man  hysterisch." Auch damals habe es Sperrgebiete gegeben: "Aber das wurde locker gehandhabt."

          Vieh durfte Weide nicht verlassen

   Auch Dr. Franz Efkes, Kreisveterinär in Leer, kann sich an die Maul- und Klauenseuche erinnern.  Der  59-jährige stammt von einem Bauernhof in Großoldendorf. Der Rinderbestand seiner Eltern sei in den 50er Jahren durchseucht gewesen, weiß er noch.  Das kranke Vieh durfte die Weide nicht verlassen.

   Dr. Lübbert Lübbers, Kreisveterinär in Aurich, weiß aus Erzählungen älterer Menschen, dass in manchen Dörfern die Maul- und Klauenseuche auf der einen Straßenseite herrschte und auf der anderen nicht: "Das zeigt, dass Desinfektion und Abschottung helfen."

   MKS-Tiere wurden wieder gesund, manche hatten aber Folgeschäden wie Euterentzündungen,  Herzkrank- heiten, Druckgeschwüre und Gelenkschäden. Auch die Milchleistung ließ nach. Dennoch durften die Tiere weiterleben. Seit den 60er Jahren ist die Seuche in Ostfriesland nicht mehr  aufgetreten.

Vor 250 Jahre Probleme wie heute mit BSE

   Über eine Entdeckung in einer alten Urkunde schreibt Jürgen Morian aus Rhauderfehn.

    Bei der Durchsicht zahlloser Urkunden zur Erstellung der Chronik der Rhaude/Holter Mühlen stieß ich auch auf Hinweise zu einer zweiten Viehseuche in Holte aus dem Jahre 1747. Bereits bei der ersten Vieh-  seuche zwischen 1715 und 1716 sollen nach Angaben in der Festschrift "560 Jahre Bagband" in Ostfries- land mehr als 60 000 Rinder verendet sein.

   Im Dokument vom 6. Dezember 1747 (Rep 5, Nr. 1066, Staatsarchiv Aurich) berichten Beamte der damaligen Vogtei Stickhausen - heute einer Kreisverwaltung entsprechend - über das Auftreten einer zweiten neuartigen Viehseuche zu Holte.

   Beim Lesen dieses Berichts wurde ich sofort an die Probleme erinnert, die unseren heimischen Vieh- züchtern heute nach über 250 Jahren ernsthafte Sorgen bereiten.

   Erstaunlich sind die präzise  Beschreibung der auftretenden Symptome, wie auch die Anordnungen und Vorsichtsmaßnahmen zur Bekämpfung der Seuche unter den damaligen tierärztlichen und hygienischen Verhältnissen auf dem Lande; denn auch die Fastnachtsflut vom Jahre 1715 soll beträchtliche Schäden hinterlassen haben.

   Die Holter Bürger von damals haben überlebt. Auch wir Nachkommen der heutigen Generation hoffen fest, daß wir die  Ernährungskrise gesund überstehen werden.

Den ältesten Beitrag zum Thema MKS liefert Wilhelm Lange, 58, Dorfchronist in Leerort. In den "Wöchentlichen Ostfriesischen Anzeigen und Nachrichten" vom 10. Dezember 1770 fand er einen Text über eine nicht näher bestimmte Viehseuche. Als Prävention wird empfohlen, "die Thiere bisweilen in der Ems schwimmen zu lassen".

“Betreuen hat was mit Treue zu tun”

 OZ-Leser erzählen, wie man früher mit der Maul- und Klauenseuche umging

(OZ v. 10.3.2001, S. 13)

Kühe mit schwarzer Zunge immun

 Niemandem kam der Gedanke, kranke Tiere zu töten.

 Sie wurden Tag und Nacht betreut.

 Walter Bootsmann aus Warsingsfehn hat die Seuche 1944 erlebt. Auf Anordnung des Ortsbauernführers seien im Umkreis von zwei  bis drei Kilometern Sperrschilder aufgestellt worden, erinnert sich der 70-jährige. Eine Ringimpfung sollte die weitere Ausbreitung des MKS-Virus verhindern. "Ich war mit dem Impftrupp unterwegs", sagt Bootsmann. "Auf unserem Hof sind keine Tiere krepiert." Und das, obwohl es im Krieg kein Mehl und kein Brot gab, um das Vieh aufzupäppeln. "Wir mußten die Tiere ihrem Schicksal überlassen." Die Tiere  wurden gesund. Die Kühe gaben aber weniger Milch. Anfang der 50er Jahre sei die Maul- und Klauenseuche erträglicher verlaufen, sagt Bootsmann, "weil man wieder Mehl kaufen konnte."

   Bootsmann und auch Oltmann Meinders, 89, aus Steenfelde haben ein eigenartiges Phänomen beobachtet: Kühe mit schwarzer Zunge sind offenbar gegen MKS immun. Diese  Laune der Natur kommt aber nur selten vor.

   Der Emder Friedrich Sjösten hat die Seuche als Kind in Vorpommern erlebt. Das war nach dem Ersten Weltkrieg. Der heute 92-jährige war damals zehn  Jahre alt. Er weiß noch, daß den Kühen Zöpfe aus Stroh durchs Maul gezogen und an den Hörnern befestigt wurden, um den Schleim aufzufangen. Vor dem Stall stand ein Behälter mit Wasser und Desinfektionsmittel.

   "In den 50er Jahren war auf dem Hof meiner Schwiegereltern die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen", schreibt Anna Schaa, 74, aus Westoverledingen. "Allein der Gedanke, die  kranken Tiere zu töten, ist ganz gewiß keinem Menschen gekommen. Die Kühe wurden gepflegt, wie man kranke Menschen pflegt. Tagelang hat die ganze Familie Rüben klein geschnitten. Die Scheiben wurden den Tieren ins Maul gesteckt. Auch Schwarzbrotscheiben wurden auf diese Weise verfüttert. Alle Kühe hatten damals Namen. Wie gut klang es dann, wenn es hieß: 'Ik löv, Mimi geiht 't al 'n bietje beter.' Ich glaube, mein Schwiegervater war  in den schlimmsten Tagen Tag und Nacht im Stall, um die kranken Tiere zu betreuen. Betreuen hat etwas mit Treue zu tun. Es gibt sie nicht nur von Tieren zum Menschen, es gibt sie auch umgekehrt."

    Herbert Stobbe aus Leer hat MKS Anfang der 50er Jahre als Zwölfjähriger im Kreis Osnabrück erlebt. Er schreibt: "An allen Stalleingängen und Hofauffahrten wurden Geh- und Fahrrinnen angelegt. Diese  wurden mit einer Mischung aus Sägespänen und P3 aufgefüllt. Zur Desinfektion. Wir Kinder haben nachmittags zusammen gespielt. Nur beim Verlassen des Hofes mußten wir durch die Sägespäne laufen. Zur Beobachtung waren  auch Sperrbezirke eingerichtet. Sonst lief alles in den drei Wochen normal."

Rinderseuche trug zur Verarmung der Bauern bei

Zur Maul- und Klauenseuche äußert sich Albert Kroon aus Bagband.

   In der jetzt geführten  Diskussion um die Maul- und Klauenseuche werden auch die verheerenden Viehseuchen aus dem 18. Jahrhundert erwähnt. Doch bei der damals weit über Ostfriesland hinaus grassierenden Seuche handelte es sich um die so  genannte Rinderpest.

   Im Gegensatz zur Maul- und Klauenseuche endete eine Erkrankung meist tödlich. Die Todesrate der betrof- fenen Tiere lag bei 85 Prozent. Die Rinderpest trug damals zur Verarmung vieler Bauern bei.

   Im Kirchenbuch der Gemeinde Bagband ist hierüber zu lesen: "Anno 1715 ungefähr St. Jacobi (25. Juli) ist das Sterben unter dem Vieh hier angegangen, welches  zuvor in Italien, der Schweiz und auch in Holland gras- sierte, und sind in kurzer Zeit alle Ochsen, nachmahls auch alles andere Vieh weggestorben, daß bis Michaelis (29.Sept.) fast nichts geblieben. An der "Rind Viehe Seuche" ist bis 1716 im Mayo in der Bagbander Vogthey, wie folgt gestorben: In Strackholt 215, in Bagbandt 396, in Timmel 109, Auf altem großem Fehne 12, auf neuem Fehne 5, zu Hatzhausen 162, Ayenwoldt 336, Boekzetelerfehn 100, Ulbargen ist jetzo noch frei. Hierbei iß noch nicht gerechnet waß aus Furcht in der. Seuche geschlachtet worden. Übriggeblieben sind: Zu Strackholt 125, zu Bagbandt 78, zu Timmel 200, auffm großen Fehn 291, auffm neuen Fehn 75, zu Hatzhausen 33, Boekzetelerf- ehn 80, In Ulbargen wo noch nichts gestorben 86. Anno 1745 ist das Viehsterben von neuem in hiesiger Gemeine angegangen, und sind darinnen allhier, weit über 700 Stück gehörnten Viehes crepieret."