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Archivar Stefan Pötzsch präsentiert den neuen Schatz des Staatsarchivs: das "Tablinum Emdense".

Foto: Fiks

Wertvolle Handschrift wieder in Ostfriesland

Staatsarchiv kauft "Tablinum Emdense"

Bücher enthalten Abschriften verlorener Urkunden aus dem 13. bis 16. Jahrhundert

 Der Kaufpreis betrug 15 000 Mark. Das Geld hat die Gerhard ten Doornkaat Koolman-Stiftung gegeben.

Von Norbert Fiks (OZ v.17.3.201, S.45)

   Aurich/Emden. Wäre der Vorstand der Emder Kunst vor 100 Jahren etwas cleverer und hartnäckiger gewesen, wäre das "Tablinum  Emdense", sechs kleine, in sauberer Handschrift voll geschriebene Bücher, vielleicht schon lange in Ostfriesland. Und die Gerhard ten Doornkaat Koolman-Stiftung hätte nicht 15 00 Mark ausgegeben. Denn für diesen Preis hat das Staatsarchiv Aurich das "Tablinum" gekauft, das der Emder Stadtsyndikus Lambertus Oldenhove Mitte des 18. Jahrhunderts geschrieben hat.

   Die Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer in Emden, kurz Kunst, hatte 1896 dem damaligen Besitzer, dem Göttinger Professor Albertus Pannenborg, nur einmal angeboten, die wertvolle Handschrift "gegen einen von Ihnen zu  bestimmenden Preis" zu kaufen. Pannenborg wollte nicht, reagierte offenbar nicht einmalauf die Anfrage und argwöhnte sogar, wie eine Briefnotiz beweist, daß die Emder von dem ihnen geliehenen Werk eine Abschrift gemacht hätten.

   So war's nicht. Im Gegenteil. Die Ostfriesen verloren das "Tablinum" aus den Augen, niemand wußte, wo es geblieben war. Auf seine Spur kam erst wieder der Staatsarchiv-Mitarbeiter Dr. Wolfang Henninger bei Recherchen für das Biografische Lexikon Ostfrieslands; Das Werk war im Besitzder Familie Pannenborg geblieben. Der Stiefsohn des letzten Pannenborgs, des  Medizinaldirektors Dr. Adolf Pannenborg, ließ es sich für einen, so der Vorstandsvorsitzende des Geldgebers, Dr.Eckart Krömer, "angemessenen Preis" abkaufen.

   Den "besonderen Reiz" der sechs Büchlein erläutert der Leiter des Niedersächsischen Staatsarchivs in Aurich, Dr. Bernhard Parisius: Das "Tablinum Emdense" enthält die ältesten bekannten Abschriften von alten Urkunden,  deren Originale nicht mehr existieren. Das macht es zu einer wichtigen Quelle für die ostfriesische Geschichte zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert. Diesen Zeitraum um-faßt das "Tablinum".

    Parisius vermutet, dass Stadtsyndikus Oldenhove, der von 1719 bis 1779 lebte und neben seiner beruflichen Tätigkeit wissenschaftliche Studien betrieb, in den Büchlein das Material für ein Werk über die  Emder und ostfriesische Geschichte sammelte.

   Den Wert des Manuskripts haben die ostfriesischen Historiker schon früh erkannt. Dr. Erich Friedländer hatte bei der Herausgabe des Ostfriesischen  Urkundenbuchs in den 1870er Jahren das "Tablinum" zur Verfügung. Kein Wunder, dass die Kunst es damals kaufen wollte.

   Für die 15 000 Mark bekam das Staatsarchiv aber nicht nur die sechs äußerlich unscheinbaren Bändchen. Zum "Paket" gehörten noch zehn Aktenordner mit Dokumenten der Familie Pannenborg und mehr als 1100 Familien-briefe aus dem 19. Jahrhundert, eine um 1850 geschriebene Chronik der Familie Oldenhove, ein Einnahmebuch der Mette Talea Lubben (vermutlich die Tante der Frau von Lambertus Oldenhove) aus dem späten 18. Jahrhundert und ein Fotoalbum einer ausgewanderten   Pannenborg-Schwester mit etwa 80 Bildern zu den Lebensumständen einer begüterten ostfriesischen Auswanderfamilie in Amerika. Wenn die Dokumente ausgewertet werden, können sie wertvolle Hinweise vor allem zur Emder  Geschichte geben.

   Eine der Akten entpuppte sich als "kleine Sensation", so Archivmitarbeiter Dr. Paul Weßels. Bei dem Zufallsfund handelt sich um ein umfangreiches Inventar der Beninga-Burg in Dornum, dem heutigen Burg-Hotel. Es entstand im Jahr 1744 beim Tod des letzten Burgherrn. In dieser Liste ist "alles bis zur letzten Teetasse" aufgeführt, mehrere hundert Posten der Einrichtung, die in alle Winde verstreut wurde. Was die Forscher besonders freut: Der Schreiber des Inventars hat bei jedem Stück dazu geschrieben, aus welchem Raum es stammt. "Das gibt uns einen guten Einblick in  die Alltags- und Sozialgeschichte", so Weßels.

Ein glücklicher Fund: Diese Akte enthält ein vollständiges Inventar der Burg Dornum aus dem Jahr 1744.

Foto: Fiks

 

Das erste Buch des sechsteiligen "Tablinum Emdense" mit den frühesten Urkunden-Abschriften.Foto Hippen

 

Der Zufall führte auf die Spur eines Emder Unikats

Dem Auricher Staatsarchiv gelang ein unerwarteter Fund

 Von EZ-Redakteurin INA WAGNER (Emder Zeitung v. 15.3.2001, S. 8)

   Eigentlich war Archivoberrat Dr. Wolfgang Henninger auf der Spur nach den biographischen Daten des Emder Syndikus Lambertus Oldenhove (gestorben 1779). Bei der Recherche stieß er dann auf etwas ganz anderes: nämlich auf sechs schmale kleine Bändchen, mit handschriftlichen Texten: das "Tablinum Emdense".

   "Die Existenz dieser Bücher war bekannt, aber irgendwann war dieses Wissen nicht mehr präsent", sagte gestern der Leiter des Auricher Staatsarchivs, Dr.  Bernhard Parisius anlässlich der Übergabe der Bände. Überkommen sind die Urkundentexte, die Lambertus Oldenhove im 18. Jahrhundert abschrieb, im Besitz der Familie Pannenborg.

   Dieser Zweig der  Familie ist heute erloschen. Der Stiefsohn des letzten Pannenborg, des Medizinaldirektors Dr. Adolf Pannenborg, überließ die Bücher samt weiteren Unterlagen und Archivalien zur ostfriesischen Geschichte und zur Familiengeschichte dem Staatsarchiv. Die Gerhard ten Doornkaat Kool-man-Stiftung stellte das Geld für den Ankauf zur Verfügung. Es handelte sich um 15 000 Mark.

   Der Besitzer der wertvollen Archivalien habe mehr Wert darauf gelegt, daß eine adäquate Sicherung gewährleistet sei als dass er mit dem Verkauf finanzielle Vorteile erwirken wollte, erläuterte Parisius.

Das "Tablinum  Emdense" enthält Abschriften von Urkunden aus den Jahren 1234 bis 1594. Oldenhove, der neben seiner Tätigkeit als Syndikus wissenschaftlich gearbeitet hat, habe diese mühevolle Arbeit wohl zur Vorbereitung eines  Werks über die ostfriesische und Emder Geschichte geleistet. Rund 400 Urkunden, Briefe und ähnliche Schriftstücke sind in den sechs Büchlein verzeichnet. Der Unikat-Charakter resultiert daraus, dass die meisten der  originalen Urkunden heute verschwunden sind. Übrigens ist der jetzt geglückte Kauf des "Tablinum Emense" nicht der erste Versuch, des Werkes habhaft zu werden. Schon 1896 versuchte Professor Friedrich Ritter  die sechs Bände für die Bibliothek der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländisch Altertümer zu erwerben. Er schrieb an den "Hochverehrten Herrn Professor" Adolf Pannenborg: "In unseren  Versammlungen ist mehrfach die Frage aufgetaucht, ob es nicht möglich ist, die wertvolle Urkundensammlung dauerhaft für unsere Bibliothek zu erwerben. Wären Sie geneigt, sie uns gegen einen von ihnen zu bestimmenden Preis abzutreten?"

   Pannenborg hatte offensichtlich seine eigene Meinung über diese Anfrage. Denn am Schluß des Ritter-Briefes notiert Pannenborg, er sei sich sicher, dass die Emder, denen  er die Bücher auf Zeit zum Ansehen geschickt hatte, die Urkunden in der Zwischenzeit heimlich abgeschrieben hätten.

In den übernommenen Akten befand sich eine weitere Kostbarkeit: ein Verzeichnis sämtlichen Hausrates und Inventars der Beninga-Burg in Dornum aus dem Jahre 1744. Parisius:

"Auch dies ist eine kleine Sensation".

   Weiterhin erwarb das Staatsarchiv zehn Aktenordner  zur Geschichte der Emder Familie Pannenborg aus dem 19. und 20. Jahrhundert, zur Geschichte der Familie Oldenhove aus dem 18. und 19. Jahrhundert, Angaben zum Gemäldebesitz der verwandten Familien Pannenborg / Lantzius-Beninga. Parisius: "Die zahlreichen Familienbriefe sind typische Zeugnisse der Briefkultur des 19. Jahrhunderts und betreffen eine ostfriesische beziehungsweise Rheidedänder Familie mit auswärts wohnenden  Mitgliedern. Es handelt sich um mehr als 1100 Schreiben der Familien Pannenborg, Ellissen."

   Die Chronik der Familie 0ldenhove, wohl um 1850 zusammengestellt, komplettiert das Akten- und Bücherkonvolut, ebenso ein Fotoalbum einer ausgewanderten Schwester der Pannenborgs, das in etwa 80 Bildern die Lebensumstände einer begüterten ostfriesischen Auswandererfamilie zeigt.

Das "Tablinum  Emdense" wird in Aurich bleiben. Auszüge der Urkundentexte wurden im Emder Jahrbuch von 1875 veröffentlicht. Auch der Historiker Dr. Ernst Friedländer hatte sich bei der Publikation seines Urkundenbuches 1870 auf  das "Tablinum" gestützt. Parisius:

   "Auch wenn die meisten der verlorenen Urkunden durch das Urkundenbuch bekannt sind, so hat das Tablinum doch als älteste Abschrift dieser im  Original verlorenen Urkunden einen besonderen Wert."