Windmühlen und ihre Leistungen Bernhard A. Goldenstein
, Völlenerfehn (in: Der Mühlstein, Nds. & Bremen, Heft 19/1994, S 12f)
Im Bundes - "Mühlstein" Heft 6/93 war zu lesen, daß die Langenrader Mühle in Schleswig-Holstein neue Flügel erhalten soll, die von ihrer Leistungscharakteristik dem eingebauten Mühlwerk besser
angepaßt sind. Diese Meldung rief folgende Erinnerung in mir wach.Im Herbst des Jahres 1931 unternahmen mein Vater (Müller und Mühlenbauer) und ich eine Fahrradtour in das rund 15 km entfernt liegende
Barßel. Es wehte eine leichte Brise, in etwa Windstärke 5, und die Flügel der damals noch vollbeschäftigten Mühle Barßel drehten sich munter im Winde. Die schön anzuschauende Mühle befand sich in einem tadellosen
Zustand, hatte drei Böden unterhalb des Galeriesollers, ein Flügelkreuz mit einem Durchmesser von 22 Metern, Jalousieflügel und eine Windrose. Auf dem 2. Boden befand sich der Mehltrog, und langsam rutschte das Schrot
im Mehltrog herunter, wobei es vom Mahlvorgang her noch ziemlich warm war, obwohl der Schrotgang bei einem Durchmesser von 1,60 Metern nur ca. 100 Umdrehungen pro Minute machte. Auf dem 3. Boden befand sich schon das
große eiserne Stirnrad und das kleine Ritzel auf der Mühlenspindel. Wir betraten die Galerie und stellten fest, daß das Flügelkreuz sich nur mäßig drehte, weil die Heckstellung der Flügel zu
flach war und deswegen nur wenig Zugkraft erzeugte. Mein Vater und ich bedauerten die zu geringe Leistung dieser schönen, großen Mühle. Anschließend fuhren wir mit unseren Fahrrädern weiter
nach Barßelermoor, wo sich eine kleinere Mühle mit nur einem Boden unterhalb des Galeriesollers und einem Flügelkreuz von nur 17,5 Metern befand. Zu diesem Zeitpunkt lief die Mühle aber nur mit 2 Flügeln, die vordere
Rute (Feldrute) fehlte, aber die hintere Rute (Hausrute) drehte sich flott im Wind. Der Müller war auch gerade beim Schroten von Korn. Der Schrotgang hatte einen Durchmesser von 1,50 Metern und machte um die 60 bis 65
Umdrehungen, und siehe da: das Schrot kam kühl und locker den Mehl- trog herunter. Welch ein Unterschied - die kleinere Mühle in Barßelennoor leistete bei dem gleichen Wind mehr als die größere, von der Bestückung her
an sich wesentlich leistungsfähigere Mühle in Barßel. Worin aber lagen die Ur- sachen für die geringere Leistung bei der größeren Mühle? Erstens war die Stellung der Flügel in Barßel viel zu
flach. Die normale und bewährte Stellung der Flügel ist wie folgt: die Vorderheckbreite beträgt 1/3 der Flügelbreite einschließlich Balken, die Schräge (Schrank) an der Spitze 15°, oben an der Flügelwelle 24° gradlinig
(der Schrotgang soll 45% von der Umdrehungsgeschwindigkeit der Flügel haben). Die Hinterheckbreite beträgt 2/3 der Flügelbreite, an der Spitze der Flügel beträgt der Schrank 0°, in der Mitte
18° und an der Flügelwelle 24°. Ob die Flügel mit Segelbespannung oder mit Jalousieklappen ausgerüstet sind, ist letztlich egal. Von der Spitze bis zur Mitte verläuft die Außenlagerlatte nicht gradlinig, sondern in
einem zünftigen Bogen, damit der Wind schön zur Seite abfließen kann und nicht nach außen entwischt und dem Flügel den richtigen Schub und damit Tempo und Kraft verleiht. Sollte das Übersetzungsverhältnis (ca. l : 10)
so hoch liegen wie in der Barßeler Mühle, so kann man dadurch etwas Ausgleich schaffen, indem man den Flügelschrank unten an der Spitze des Flügels mit 5° Schräge beginnt, in der Mitte dann nicht auf 18°, sondern auf
23° geht und oben nicht 24°, sondern 29° erreicht. Auch das Vorderheck darf dann 5° mehr Schräge haben, was zwar das Tempo vermindert, aber mehr Schubkraft gibt. Bei einer Mühle an der holländischen Grenze beobachteten
wir das Gegenteil: da hatte man die Spitzen der Flügel gewaltig in den Wind, aber nach vorne gezogen. Welche Wirkung hatte das? Das Ge- triebe hatte viel zu wenig Übersetzung. Monate später hatten wir die Gelegenheit,
den Schrotgang in der Barßeler Mühle zu besichtigen. Was fanden wir heraus? Die künstlichen Steine hatten gebogene Feldschärfen und waren mehr aus La Ferte und Konz gefertigt als aus Naxos Schmirgel, waren daher glatt
wie ein Aal und dazu auch noch schlecht geschärft. Mein Vater sagte: "Wertlos, hier ist nichts zu machen." Kein Wunder, daß solche Steine keine Leistung bringen. In der Mühle Barßelermoor war natürlich wieder
genau des Gegenteil der Fall. Altdeutsche Bogenschärfen mit 19 Feldern zu 4 Balken ergeben insgesamt 76 Balken, wobei 19 Balken bis zum Steinauge durchlaufen, 19 Balken nur 2/3 Länge haben und die
restlichen 38 Balken nur die Hälfte der Mahlfläche ausfüllen. Wenn am Steinauge beim Läuferstein 15 mm tief geschärft wird und die Schärfen dann langsam nach außen ansteigen, kann man beim Schrotvorgang mit kühlem und
lokkeren Schrot rechnen. Die Mahlbalken müssen dabei natürlich aus reinem Naxos Schmirgel mit weichen Furchen bestehen. Solche Steine haben sich im Küsten- bereich bestens bewährt, weil die Luftfeuchtigkeit hier höher
liegt und somit auch das Getreide mehr Feuchtigkeit enthält. |