Völlen und der Hampoel (Aus dem Nachlaß von Herrn Dipl.-Ing. Bernh. Meyer) In: Mein Emsland. Ztschr. für Heimatkunde des Emslandes, des Hümmlings und der angrenzenden Gebiete.
Beilage zur Ems-Zeitung Papenburg. 1. Jhg. 1925. [Seitenzahl auf der Kopie nicht erkennbar; leider sind auf der rechten Seite der ersten Kopie etwa
drei bis vier Buchstaben nicht zu erkennen, so daß ich diese mit Punkten gekennzeichnet habe, wenn ich sie nicht erraten konnte. (Der Artikel ist in Fraktur gedruckt).] Das hart an der Grenze gegen das frühere Fürstbistum Münster gelegene Dorf Völlen ist von beträchtlichem Alter. Die
kleinere der beiden Glocken der heutigen Kirche trägt die stattliche Jahreszahl 1330 und ist eine der ältesten Glocken Ostfrieslands. Völlen hat stets zu Friesland gehört. Die Grenze zwischen dem Friesischen und
Münsterschen rechts der Ems bildete der Hampoel und eine Linie, die vom Hampoel durch das Berke-Meer und das kleine Meer (?) ging. Wenngleich die Grenzstreitigkeiten zwischen Münster und
Ostfriesland Jahrhunderte dauerten und sich bis in die Neuzeit erstreckten, ist die Grenze doch niemals wesentlich verschoben worden. Der Hampoel wird beispielsweise schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts von beiden
Seiten als Grenze anerkannt. In kirchlicher Beziehung war Völlen bis zur Reformation, ebenso wie die benachbarten im Münsterschen belegenen Orte Hofe, Bokel, Nenndorf, Tunxdorf und Aschendorf
dem Bischofe von Osnabrück unterstellt, während das ürbige Ostfriesland nördlich der Leda zum Sprengel anderer Bischöfe gehörte. So war der westliche Teil dem Bischofe von Utrecht, der mittlere Teil mit Leer und Emden
dem Bischofe von Münster unterstellt. Der östliche Teil unterstand dem Bischofe von Bremen. Es steht nun nicht genau fest, wo die Grenze zwischen dem Bistum Münster und Osnabrück zu suchen ist.
Man hat geglaubt, sie in der Linie Mark-Bullerbarg gefunden zu haben und weiß dafür gute Gründe anzuführen. Sicher ist, daß Völlen im Sprengel des Bischofs von Osnabrück lag und damals mit den erwähnten Orten Hofe,
Bokel, Nenndorf und Tunxdorf und der Papenburg derselben Diözese angehörte. Die politische Grenze, die durch den Hampoel ging, fiel aber mit der Diözesangrenze, die weiter nördlich lag, nicht (!) zusammen.
Die Orte Völlen, Bokel und Hofe sowie die Papenburg und die wenigen zu der Papenburg gehörenden Häuser gehörten aber vor der Reformation nicht allein derselben Diözese, sondern auch demselben Kirchspiele
an, nämlich dem Kirchspiel Völlen. Der Ort Völlen liegt von dem Platz, an dem die alte
Papenburg stand - der Turmwerft - und den nördlichsten und ältesten Teilen der Stadt Papenburg - dem sogenannten Hoek - in der Luftlinie nur etwa 1,5 km und von Bokel und Hofe nur etwa 2 km in der Luftlinie entfernt.
Der jetzt den direkten Verkehr zwischen den genannten Orten und Völlen hemmende breite Sielkanal - ebenso der alte Sielkanal, im Jahre 1638 auf Veranlassung don Dietrich von Velen erbaut - war in jener Zewit nicht
vorhanden. Ein Hindernis des Verkehrs zwischen den Orten Boekl, Hofe und Völlen bildete in gewisser Beziehung der Hampoel. Dieser war ein ziemlich seichtes Moorgewässer von beträchtlicher Ausdehnung, das von dem kleinen
Flüßchen 'Dever' durchflossen wurde. Den Verkehr über den Hampoel gestattete eine Furt. In späteren Jahrhunderten war eine Fähre vorhanden. Eine uralte Heerstraße, die einzige zwischen
Friesland und dem Münsterlande rechts der Ems, führte von Aschendorf nach Völlen und von diesen Orten weiter in das Münsterland bzw. nach Ostfriesland hinein, berührte Mitling, Mark, Driever und stieß bei Esclum auf die
Leda. Die Lage dieser Heerstraße auf der uns hier interessierenden Strecke Völlen-Bokel-Aschendorf läßt sich bis in Einzelheiten nachweisen. Sie ist zum Teil noch heute vorhanden. Sie führte von der alten im Jahre 1550
abgebrochenen Völlener Kirche, die auf dem sogenannten Bahrenkamp stand, zwischen alten, malerischen Kolken hindurch senkrecht auf den Völlener Wehrdeich, den sie bei der sogenannten Hickmannsecke, früher
Groeneveldschen Plaatze, kreuzte. Die Heerstraße umging dann die Hampoelschanze in einem Bogen und führte zum Hampoel selbst. An der anderen, der münsterschen Seite des Hampoels führte der heute noch sichtbare Weg über
den Burkamp, eine talgelegene Wiese, die Dietrich van Velen im Jahre 1639 erwarb, nach Bokel und von dort nach Aschendorf, vorbei am uralten freien Stuhl, dem Fehmgerichtsplatz unserer Gegend.
Der berühmte friesische Geschichtsschreiber Ubbo Emmius beschreibt in seinem im Jahre 1616 in Groningen erschienen Werke "Descriptio chronographica Frisiae orientalis" auf Seite 40 wie folgt: "Das Gebiet
dieser (der jenseits der Leda Wohnenden) wird im südlichen Teile, wo es sich der Ems nähert, durch das kleine und in Sommermonaten fast trocken werdende Gewässer 'Hampoel' von den Münsterländern getrennt, welches aus
sumpfigen Gelände kommt und dunklen Ursprungs ist und sich dem Kloster Halte gegenüber in die Ems ergießt. Bei der Quelle dieses Bächleins, am Anfange des schlammigen und unwegsamen Gebietes, das sich von <beinah>
6000 Schritt weithin östlich ausdehnt und das Gebiet Westfalen von den Friesen trennt, hart an der Grenze der Münsterländer, liegt die Papenburg, ein aus Ziegelsteinen hier einst zum Schutze der Grenzen gegen Friesland
erbauter Turm. Zwischen diesem und der Ems fast in der Mitte geht ein Heeresweg, der einzige, der aus der Diöszese Münster an dieser Seite der Ems nach Friesland führt. Und hier beginnt ein
zwar schmaler, aber bei weitem der schönste und fruchtbarste Teil des Gebietes jenseits der Leda längs des Ufers der Ems, dem Rheiderlande (Reideri...) gegenüber; diesem ist wegen der Deiche, mit denen es gegen den
Strom geschützt ist, der Name Dycrima (vielleicht Deichland) gegeben. Dort treffen von Aschendorf Kommende auf das erste und größte Dorf Völlen (Volla), ziemlich ausgedehnt und 500 Schritt von der Grenze entfernt. Hier
waren einst Befestigungen (Schanzwerke) gegen Münsterländer errichtet, wovon der Name herrührt (Auffüllen, aufwerfen). Jetzt sind nur ruinenhafte Überreste vorhanden." Ubbo Emmius war
lange Zeit Leiter einer höheren Schule in Norden, später Direktor einer Schule in Leer und starb als Rektor der Groninger Universität. Da er viele Jahre in Leer gelebt hat, sollte man eigentlich, zumal bei dem großen
Interesse, daß er für seine friesische Heimat an den Tag legte, und bei der geringen Entfernung zwischen Leer und Papenburg annehmen, daß er die beschriebene Gegend aus eigener Anschauung gekannt hat.
Das scheint trotz der im Ganzen genommenen treffsicheren Schilderung der Gegend nicht der Fall gewesen zu sein, da er den Hampoel einen kleinen gegenüber dem Kloster Halte in die Ems mündenden Bach nennt
und so mit dem Flüßchen Dever identifiziert. In Wirklichkeit war der Hampoel, wie bereits erwähnt wurde und ja auch heute noch teilweise der Fall istein sehr ausgedehntes Moorgewässer, ein
großer, wenigstens nach der Völlener Seite von versumpften Ufern eingefaßter Moortümpel, der von der Dever durchflossen wurde. Schon der Name beweist, daß der Hampoel niemals Name eines Flusses sein kann, denn
"Poel" (plattdeutsch poal) kommt vom lateinischen palus, Sumpf, Morast. Die Vorsilbe "Ham-", die wir in dem Worte "Hammerich" wiederfinden, hat denselben Stamm wie "Heim" und will
einen gemeinsamen Besitz einer ungeteilten Mark ausdrücken, "Hammerich" (....mara) ist urpsrünglich nichts anderes als ein gemeinsames Wiesenland der Marschgenossen einer noch ungeteilten Flur und
"Hampoel" ein ebenfalls ursprünglich den Marschgenossen gemeinsam gehörender Tümpel oder Sumpf in einer ungeteilten Mark. Der Hampoel aber gehörte, ebenso wie der sich örtlich anschließende Hammerich, zur Mark
der Bokeler und Hofer Bauern, denn von diesen erwarb Diedrich van Velen 1638, einige Jahre nach seiner Belehnung mit der Papenburg, das Recht, einen Kanal durch den Hammmrich und den Hampoel zu graben, und nicht von den
Anreinern? (Völlnern?), die allein sonst noch in Betracht kommen könnten. Kehren wir nun zurück zum Dorfe Völlen, so verdient noch erwähnt zu werden, daß das heutige Gebiet des Dorfes Völlen
seit Alters her aus mehreren Teilen bestand, von denen ursprünglich nur ein Teil den Namen "Völlen" hatte. Die andern Teile des heutigen Völlen hießen "die grote Lattern", "die lütke
Lattern" und "Südende". Letzteres lag, wie schon der Name sagt, am südlichsten, also am nächsten der münsterschen Grenze, und es ist offenbar gegenüber dem alöten Dorfe Völlen und gegenüber dem beiden
Lattern neueren Datums. Die Begriffe "grote Lattern" und "lütke Lattern" sind den Völlenern noch heute geläufig und kann man noch heute täglich in Völlen hören. Eggerik
Benninga, der zuverlässigste ostfriesische Schriftsteller, schreibt in seinem Werke "Historie van Oostfriesland" (S. 401): "Nicht lange darna, als nu de Freesen ohren wille in des Bisschuppes landen
geschaftet, und itliche dorpen vorbrant, heft der Bisscup van Munster sulcken schaden onvergolden nicht willen annemen, dan so balde de Freesen uth sine gronsen geweken weder in Freeslant cernischet, un dat dorp Vollen
und beide Lattern vorbrant. |