BOERTANGER / VAN PELS
"Am 10. November 1879 erschien der Handelsmann Moses Bourtanger, der Persönlichkeit nach bekannt, wohnhaft zu Rhaudermoor, und zeigte den Tod des Salli Moses Cohn an, wohnhaft zu Rhaudermoor." So ähnlich
schrieb es der Standesbeamte von Rhaudermoor, J. Dänekas, in sein Sterberegister (Nr. 21 / 1879). Mozes Arons Bourtanger (* 6.1.1795 zu
Oude Pekela) war einer der ersten, wenn nicht der allererste jüdische Einwohner von Rhaudermoor. Er war Witwer und schon ein alter Mann von 83 Jahren, als er 1878 von Oude Pekela nach "Preußen" aufbrach. Sein
Vater, Arend Mozes, stammte aus Bourtange (auch bisweilen "Boertange" geschrieben), deshalb bekam die Familie den Namen Bourtanger, als Arend in Oude Pekela Jutje Izaks heiratete und sich dort niederließ. Mozes Arons war das mittlere von drei Kindern und heiratete Hendeltje Israels Mindus (* ca. 1798 zu Jemgum; + 17.2.1870 zu Oude Pekela, # zu Oude Pekela, Grab Nr. 129).
Dieser Mozes Bourtanger wollte sich gewiß in Rhaudermoor keine neue Existenz aufbauen in seinem Alter, doch er hatte seine Tochter Jetta dabei (* 8.10.1831 zu Oude Pekela). Sie hatte am 30.1.1864 in Oude Pekela den
Kaufmann David van Pels geheiratet (* 16.5.1825 zu Oude Pekela). Die beiden hatten drei Kinder: Jozef (* 17.8.1865 zu Oude Pekela), Mozes (* 26.1.1867 zu Oude Pekela) und Aäron David (* 13.3.1869 zu Oude Pekela). Diese
gesamte Familie wanderte ebenfalls 1878 nach "Preußen" aus und wohnte höchstwahrscheinlich auch in Rhaudermoor. Da sie nichts auf dem Standesamt zu tun hatte, wurde die Familie nicht "aktenkundig"
und hat deshalb in Rhaudermoor auch keine "amtlichen" Spuren hinterlassen, denn ein Einwohnermelderegister aus dieser Zeit gibt es in Rhaudermoor nicht. Was wollte diese Familie in Rhaudermoor ? In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es im Raum Oude und Nieuwe Pekela für zusätzliche Viehhändler und Schlachter keine Perspektive mehr. Viele
versuchten, sich im benachbarten Ostfriesland anzusiedeln, wo die Juden seit Gründung des Norddeutschen Bundes 1867 de jure nicht mehr benachteiligt waren. Die Familie van Pels stammte ur- sprünglich auch nicht aus Oude
Pekela, denn Davids Vater kam aus Groningen und seine Großeltern mütterlicherseits stammten aus Frankfurt/ Main und aus Leer. Die Bourtangers waren ja auch erst seit einer Generation in Oude Pekela seßhaft gewesen, und
Mozes' verstorbene Frau Hendeltje war eine geborene Mindus aus Jemgum. Diese Familie war es also gewohnt, umzuziehen und etwas Neues anzufangen. Sowohl von David van Pels' als auch von Jettas Geschwis- tern ist niemand
in Oude Pekela wohnen geblieben. Also machten sich auch David van
Pels und Frau Jetta mit ihren Kindern und dem Vater Mozes Bourtanger auf ins Nachbarland, d.h. nach Rhaudermoor. Wahrscheinlich hatten Verwandte aus der Familie Mindus, die in Weener und Papenburg wohnten, sie auf das
aufstrebende "Fehn" aufmerksam gemacht, wo sich noch keine Juden niedergelassen hatten und wo eine große Bevölkerungsfluktuation zu beobachten war, so daß es keine gravierenden Integrations- probleme geben
würde. Über die Mindus-Verwandtschaft kam wahrscheinlich auch die Bekanntschaft mit dem Witwer Salli Moses Cohn aus Jemgum zustande. Er war mit Clara Stahl verheiratet gewesen, deren Schwestern
wiederum mit den Mindus' verwandt waren. Vielleicht hatte der 54jährige Witwer Salli auch vorgehabt, noch einmal einen Neuanfang in Rhaudermoor zu wagen.
In welchem Haus sie in Rhaudermoor gewohnt haben, ist nicht mehr festzustellen. Dazu möchte ich noch anmerken, daß Mozes Arons Bourtanger nicht nur Handelsmann war, sondern in Oude
Pekela auch als "leerloier", also Lohgerber, geführt wurde.
Mein Großvater Johann Hensmanns (* 5.10.1872) erzählte öfter, daß es in der Jürgenaswieke einen jüdischen Loh- gerber gegeben habe, der die Schuljungen aufforderte, ihm gegen Entgelt Hundekot zu bringen, den er zum
Gerben gebrauchen könne. Außerdem wußte mein Großvater zu berichten, daß Mozes die gegerbten Felle zum Wässern in die Wieke legte. Vielleicht ist dies ein Hinweis darauf, daß die Familie Bourtanger/van Pels in der
Jürgenaswieke wohnte. Anscheinend haben sich die Erwartungen an die neue Wirkungsstätte nicht erfüllt.
Vielleicht hat auch der Tod des Salli Moses Cohn den Ausschlag gegeben. 1880 ist jedenfalls die gesamte Familie nach Oude Pekela zurückgekehrt. Mozes Arons Bourtanger verstarb dort am 23.9.1883 und wurde in Oude Pekela
begraben (Grab Nr. 153). David van Pels starb am 5.5.1902 zu Oude Pekela und wurde ebenfalls dort beerdigt (Grab Nr. 70). Jozef van Pels wurde Kaufmann und zog nach Kampen. Mozes van Pels wurde
auch Kaufmann und wohnte 1888 in Norden/Ost- friesland. Aäron David van Pels wurde Doktor der Rechte und wohnte ab 1888 in Winschoten. Wo Frau Jetta van Pels geb. Bourtanger ihren Lebensabend verbracht hat, ist nicht zu
erfahren. |