GUMPERTZ

   

Die Gumpertz' stammen aus dem Rheinisch-Bergischen Raum. Joseph Gumpertz wurde 1823 in Nümbrecht/Westerwald geboren. Er heiratete am 6. 5. 1850 in Holten Esther Heymann. Ein anderer Gumpertz, Israel, der auch in die Heymann-Familie in Holten einheiratete, wurde 1828 in Deutz geboren. Ob die beiden Gumpertz' verwandt waren, lässt sich nicht nachweisen, ist aber wahrscheinlich.

 Seit dieser Zeit wohnten die Gumpertz' in Holten bei Oberhausen, und auch ihre Nachkommen haben sich in diesem Raum angesiedelt, so in Sterkrade und in Ruhrort.

 Joseph Gumpertz und Esther geb. Heymann hatten zwei Söhne: Gustav (* 17. 4. 1851 in Holten) und Siegesmund (* 4. 2. 1853 in Holten), außerdem hatte Frau Esther einen vorehelichen Sohn Daniel Heymann (* 13. 12. 1846 in Holten), der leider schon früh verstarb.

 Siegesmund Gumpertz war ein Fell- und Lederwarewnhändler. Er heiratete in erster Ehe Helene Schönfeld. Von ihr sind keine Daten bekannt. Sie stammte höchstwahrscheinlich aus dem Großraum Frankfurt, denn der erste Sohn Sally wurde am 6. 5. 1888 in Dörnigheim (Maintal) geboren, während die übrigen Kinder Hermann (* 13. 4. 1892), Erna (* 21. 9. 1895) in Holten zur Welt kamen.

 Nach dem Tode von Frau Helene heiratete Siegesmund Gumpertz in zweiter Ehe Bertha Sander (* 3. 10. 1867 in Breslau). Aus dieser Ehe ging der Sohn Julius (* 16. 10. 1901) hervor. Auch er wurde in Holten geboren. Als letztes Kind kam Helene zur Welt, von ihr ist kein Geburtsdatum überliefert. Es steht zu vermuten, dass sie den Namen der verstorbenen ersten Ehefrau erhielt. Sie wurde Leni gerufen. Sie wanderte rechtzeitig mit Ehemann und Tochter nach Australien aus.

 Siegesmund Gumpertz und Frau Bertha sind im Jahre 1935 während der NS-Zeit noch hochbetagt nach Holland ausgewandert oder geflohen, wahrscheinlich zu der Familie seines Sohnes Hermann. Beide kamen 1943 während der deutschen Besatzung in das Lager Westerbork. Während Bertha Gumpertz geb. Sander dort am 1. 4. 1943 verstarb  (Nr. 101 Standesamt Westerbork), wurde Siegesmund noch im Alter von neunzig Jahren ins Vernichtungslager Sobibor deportiert, wo er am 20. 4. 1943 umgebracht wurde.

 Die beiden Gumpertz-Söhne Sally und Hermann waren im I. Weltkrieg Soldat, und Julius nahm 1920 als Freiwilliger am Kampf der Reichswehrtruppen gegen die Rote Ruhrarmee teil und musste dabei am 2. 4. 1920 in Voerde sein junges Leben lassen.

 Die Söhne Sally und Hermann hatten später mit dem "Hurra-Patriotismus" nichts mehr im Sinn, denn sie engagierten sich in der SPD und im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold.

 Wie unzählige junge Leute ihrer Generation mussten sich Sally und Hermann Gumpertz nach Kriegsende im zivilen Leben wieder zurechtfinden.  Sally hatte vor dem Krieg offenbar eine Ausbildung zum Bürokaufmann  genossen, denn in dem Adressbuch des Landkreises Leer von 1926 wird er als Kaufmann in Westrhauderfehn geführt, und 1933 soll er laut Mitteilung eines entfernten Verwandten Prokurist bei Bamberg & Herz in Köln gewesen sein. Hermann Gumpertz hatte anscheinend in der Vorkriegszeit im Betrieb seines Vaters Erfahrungen im Produktenhandel gesammelt, denn eine Fell- und Ledergroßhandlung, wie sie die beiden Gumpertz-Brüder damals in Rhaudermoor eröffneten, konnte man nicht ohne Sachkenntnis führen.

 Warum ließen sich die beiden Brüder ausgerechnet in dem weit entfernten Rhaudermoor nieder?

 
Nach dem I. Weltkrieg war das heimische Ruhrgebiet für eine Existenzgründung denkbar schlecht geeignet. Dort herrschte der Ausnahmezustand, und Teile der Reichswehr kämpften gegen die Rote Ruhrarmee. Eine Aussicht auf stabile Verhältnisse war nicht gegeben. Durch Bekanntschaft mit Mitgliedern der weitverzweigten Familie Meyer aus Sögel, die Verwandte in Ruhrort, Duisburg und Wesel hatten, lernte Hermann Gumpertz seine Braut Adele kennen. Sie brachte ihn wahrscheinlich zu ihrem Onkel, dem Viehhändler Samuel de Levie aus Rhaudermoor. Der war unverheiratet und wahrscheinlich auch kränklich und bot dem jungen Paar sicherlich an, zu ihm nach Rhaudermoor zu kommen und seinen Betrieb zu übernehmen.

 Sally und Hermann Gumpertz müssen schon kurz nach Ende des Krieges dorthin gezogen sein, denn als Hermann am 17. 11. 1919 in Sögel Adele Meyer (* 21. 2. 1897 in Sögel) heiratete, hatte er seinen Wohnsitz bereits in Rhaudermoor. Leider sind die Einwohnermeldeverzeichnisse von Westrhauderfehn und Rhaudermoor nicht komplett erhalten, so dass der genaue Zeitpunkt ihres Zuzugs nicht mehr festzustellen ist. Fest steht jedenfalls, dass Sally in Westrhauderfehn wohnte und nicht in Rhaudermoor, denn er meldete sich am 23. 5. 1921 dort ab nach Essen / Schornstraße. Zu diesem Zeitpunkt war er noch ledig.

 Mittlerweile hatten sich die Verhältnisse im linksrheinischen Raum und im Ruhrgebiet normalisiert, und Sally versuchte, in seiner Heimat beruflich Fuß zu fassen, denn der Betrieb in Rhaudermoor erschien wohl nicht geeignet, zwei Familien und dem ledigen Onkel Samuel de Levie ein angemessenes Auskommen zu sichern.

 Am 15. 5. 1922 heiratete Sally in Sögel Frauke Meyer (* 15. 5. 1885 in Westrhauderfehn). Sie war die ältere Schwester seiner Schwägerin Adele. Das junge Paar muss zuerst in Sterkrade gewohnt haben, denn von dort kommend meldete Sally sich am 22. 3. 1923 wieder in Westrhauderfehn an.

 Im Jahre 1923 besetzten französische Truppen wegen ausbleibender Reparationszahlungen der deutschen Regierung das Ruhrgebiet. An geordnete wirtschaftliche Abläufe war dort jetzt nicht mehr zu denken. Außerdem begann 1923 auch die "Inflationszeit", die Kaufkraft der Reichsmark schwand von Tag zu Tag, gegen Ende des Jahres sogar von Stunde zu Stunde. Im November 1923 benötigte man 1 Billion Reichsmark, um ein Brot zu kaufen. Wer vom Lohn oder Gehalt leben musste, konnte bald seine Familie nicht mehr ernähren; gefragt waren Sachwerte oder stabile ausländische Währung. Der Tauschhandel wurde zum bestimmenden Faktor in der Wirtschaft.

 Für Sally Gumpertz war es jetzt attraktiv, erneut nach Ostfriesland zu ziehen und in den Fell- und Ledergroßhandel seines Bruders Hermann einzusteigen. Nachdem er bei Coob Schoemaker in der 1. Südwieke eine Wohnung gefunden hatte, kam auch seine Frau dorthin. Sie hatte sich zwischenzeitlich bei ihren Eltern in Sögel aufgehalten und meldete sich am 14. 6. 1923 unter dem Namen Frieda in Westrhauderfehn an. Dies geschah wohl in Anlehnung an ihre Großmutter, Frouke de Levie geborene Cohen, nach der sie benannt worden war und die im Familienkreis auch "Fredle" gerufen wurde.

 Am 18. 4. 1924 stellte sich Nachwuchs ein. Im jüdischen Gemeindezentrum in der Klosterstraße 81/82 zu Münster kam Tochter Ruth zur Welt und wurde unter der Nummer 735/1924 beim Standesamt Münster registriert. Da Frau Frieda schon Ende dreißig war, als sie ihr erstes Kind zur Welt brachte, hatte sie es vorgezogen, sich zur Entbindung in die Hände von Fachkräften zu begeben. Die glücklichen Eltern konnten ihre Tochter bald mit nach Hause nehmen und meldeten sie am 1. 5. 1924 auf dem Einwohnermeldeamt in Westrhauderfehn an.

 Die Firma Hermann Gumpertz & Co., wie sie im Adressbuch des Landkreises Leer von 1926 genannt wird, betrieb im Inflationsjahr 1923 einen weitverzweigten Tauschhandel. Es wurde nicht nur mit Fellen, Häuten und Wildwaren, Kaninchen und Eiern gehandelt, sondern auch mit Altpapier, wie in Anzeigen der damaligen Tageszeitungen zu lesen ist. Hermann Gumpertz bot dabei seinen Lieferanten "wertbeständige Zahlung" oder Tauschhandel an. Die Geschäftsbeziehungen reichten von Ostfriesland über den Raum Friesoythe bis nach Hamburg und Tönning in Schleswig-Holstein.

 Während dieser Zeit muss sich der Betrieb zu einem Unternehmen mit mehreren Angestellten entwickelt haben. Bernhard Brinkmann aus Rhaudermoor,  der später ein Gemischtwarengeschäft gegenüber der Vereinswieke führte, absolvierte bei Gumpertz seine Ausbildung. Er berichtete, dass die Felle überwiegend bei Schlachtern in der Umgebung aufgekauft und von dem damaligen Spediteur Johann Plümer mit Pferd und Wagen abgeholt wurden. Gelagert wurden sie in einem Schuppen neben dem Hinterhaus, mit reichlich viel Geruch und etlichen Ratten, bis die Menge ausreichte, um einen Waggon von der Kleinbahn Ihrhove-Westrhauderfehn damit zu bestücken. Die Abnehmer waren meistens Gerbereien, von denen Gumpertz' dann oft wieder Leder bezogen, das im Vorderhaus an Sattler und Schuster verkauft wurde. Das Zubehör für ihre Werkstatt konnten diese Handwerker hier auch gleich erwerben.

 Neben der regelmäßigen Belieferung durch die hiesigen Schlachter füllte die Firma ihren Vorrat auch mit einzelnen Fellen auf, die von Privatleuten gebracht wurden. Hildegard Albert aus der Dr.-Leewog-Straße erinnert sich, dass Hermann Gumpertz ihr einmal ein Kaninchenfell für 25 Pfenning abkaufte.

 Neben dem Lehrling Bernhard Brinkmann wurde auch noch der Lehrling Adolf Voskamp ausgebildet. Conny Jacobs war als Reisender für die Firma Gumpertz & Co. tätig, und dann gab es dort auch noch einen Herrn Woltermann. Im Büro wurde ein Buchhalter beschäftigt; Anfang der dreißiger Jahre war das Hermann Meyer aus Holte, vorher soll Anton Heger aus Collinghorst dort gearbeitet haben. Während der Aufbauphase um 1920 hat sicherlich auch der Onkel Samuel de Levie noch sein Know-How und seine Handelsbeziehungen zu den Schlachtern und Landwirten mit in die Firma eingebracht, denn der Übergang vom Viehhandel zum Fell- und Ledergroßhandel vollzog sich wahrscheinlich gleitend. Bis zum 4. 3. 1921 war jedenfalls noch der Vetter seiner Frau Adele, der Schlachter Gottfried Müller aus Emden, im Hause Gumpertz wohnhaft und im Betrieb tätig, ebenso wie Max Meyer, Frau Adeles Bruder aus Sögel.

 Am 31. 8. 1924 starb Samuel de Levie nach längerer Krankheit. Mit einer Todesanzeige im Generalanzeiger lud Hermann Gumpertz in Namen der Familienangehörigen zur Beerdigung am 3. September vom Trauerhause in der Rhauderwieke aus nach Leer ein. Wie Günter Graepel berichtete, begleiteten die Trauergäste den Sarg in der Regel mit der Kleinbahn zum jüdischen Friedhof nach Leer am Schleusenweg. 

 In den Jahren 1925/26 muss die Firma Hermann Gumpertz & Co. in Zahlungsschwierigkeiten gekommen sein. Ein drohender Konkurs wurde aber glücklicherweise durch ein Geschäftsaufsichtsverfahren über das Vermögen der Firma sowie über das persönliche Vermögen der beiden Inhaber Sally Gumpertz und Hermann Gumpertz abgewendet. Ein solches Geschäftsaufsichtsverfahren wurde zu Beginn des I. Weltkriegs geschaffen zum Schutze der Kriegsteilnehmer. Es entsprach unserem heutigen Vergleichsverfahren. Unter diese Regelung fielen auch Hermann und Sally Gumpertz, weil sie beide Weltkriegsteilnehmer gewesen waren. Zufolge des Öffentlichen Anzeigers zum Amtsblatt der Regierung Aurich vom 17. Juli 1926 wurde durch Annahme des Vergleichs am 3. Juni 1926 die Geschäftsaufsicht vom Amtsgericht Leer am 30. Juni 1926 aufgehoben. Die Firma, die die Erwerbsgrundlage für die Familien der beiden Gumpertz-Brüder und mehrerer Angestellten bildete, war noch einmal gerettet.

 Hermann Gumpertz und Adele geb. Meyer hatten drei Kinder, die alle in Rhaudermoor geboren wurden: Helene (* 1. 10. 1920) wurde nach Hermann Gumpertz' Mutter Helene Gumpertz geb. Schönfeld benannt und Beate (* 28. 7. 1925) offensichtlich nach Frau Adeles Mutter Betje oder Bertha Meyer geb. de Levie in Sögel. Am 12. 1. 1931 wurde Sohn Manfred geboren, doch er verstarb schon nach knapp zwei Monaten am 5. 3. 1931 in Rhaudermoor. Er ist wahrscheinlich auch auf dem Friedhof in Leer am Schleusenweg beerdigt worden, doch die Grabsteine der Kindergräber dort sind in der NS-Zeit alle unleserlich gemacht worden, so dass man sie heute nicht mehr zuordnen kann.

 Solange die beiden Töchter noch klein waren, wurden sie von Gretchen Kuipers (später: verheiratete Deters) aus der Jürgenaswieke betreut. Sie war etliche Jahre als Kindermädchen im Hause Gumpertz und lernte auch viele Verwandte der Familie kennen. In Emden wohnte Hermann und Sallys Schwester Erna. Sie hatte sich Anfang der zwanziger Jahre mit Adeles Vetter Gottfried Müller verheiratet; ihr Sohn Paul kam am 24. 2. 1927 in Emden zur Welt. Einmal war Gretchen mit zu einer Hochzeit bei der Familie Meyer in Sögel, eine ganze Woche lang wurde damals gefeiert, und für jeden Tag gab es besondere Essensvorschriften.  

 Am 20. 4. 1927 wurde Helene Gumpertz unter der Nr. 329 des Schülerverzeichnisses in die Volksschule Rhauderwieke aufgenommen. Dort steht auch vermerkt, dass sie am 27. 12. 1922 gegen Pocken geimpft wurde. Beate Gumpertz wurde Ostern 1932 unter Nr. 441 des Schülerverzeichnisses auch dort eingeschult. Als Geburtsort ist bei beiden Rhauderwieke eingetragen, was darauf hinweist, dass die Einwohner der Rhauderwieke es geflissentlich vermieden, als Einwohner von Rhaudermoor zu gelten. Der Beruf des Vaters Hermann Gumpertz ist in beiden Fällen mit Kaufmann angegeben.

 Leni und Ati - so wurden sie gerufen - hatten viele Spielkameraden in der Nachbarschaft und auch in der Schule. Johann Korrelvink, der bis 1927 im Haus nebenan wohnte, ging als kleiner Junge bei der Familie Gumpertz ein und aus. Korrelvinks sprachen zu Hause plattdeutsch, in Lenis und Atis Elternhaus wurde hingegen hochdeutsch gesprochen. Er erinnert sich, dass er einmal beim Spielen neben Gumpertz~~' Haus von einer Versandkiste fiel genau auf ein Brett mit einem rostigen Nagel, der sich in seine Stirn bohrte. Sally Gumpertz trug ihn daraufhin eilig auf dem Arm zur Praxis des Sanitätsrates Dr. Trepte auf der gegenüberliegenden Kanalseite.                                                          

 Besonders beliebt waren die Kindergeburtstage im Hause Gumpertz, denn Mutter Adele verstand es, daraus jedesmal ein besonders festliches Ereignis zu machen. Es gab eine richtige Geburtstagstorte mit Kerzen, was auf dem Fehn in jenen Jahren noch nicht üblich war. Noch heute kann man beim Betrachten etlicher Fotos die fröhliche, unbeschwerte Stimmung nachempfinden, die damals Dini Janssen, Ohlrich Dupr~ee, Johanne Falk, Berta und Lisa Witzack, Frieda Junior oder auch Sarene und Gerda Neemann sowie Ingeborg Kallhoff dort mit Leni und Ati zusammen verbreitet und genossen haben.

 Aus ihrer rheinländischen Heimat waren Sally und Hermann Gumpertz es wahrscheinlich gewohnt, sich auch gesellschaftlich zu engagieren. In Westrhauderfehn gab es den traditionellen Turnverein "TuRa 07", der viele prominente Fehntjer Mitglieder hatte. Die Turnerinnen und Turner, besonders die Ahlers' und Tautes, konnten sogar auf überregionaler Ebene Erfolge vorweisen. Auch Leni und Ati Gumpertz waren begeisterte Turnerinnen. Therese Luikenga geborene Schulna gehörte damals der gleichen Turngruppe an. Sie erinnert sich, dass Leni eines Tages ihre wunderschöne Haarspange verloren hatte und alle Turnerinnen sie gemeinsam wiedersuchten. Auf dem Erinnerungsfoto zum Abschluß des Vereinsturnfestes im Jahre 1932 anlässlich des 25jährigen Bestehens des Turnvereins können wir Leni Gumpertz in der dritten Reihe von unten inmitten ihrer Turngruppe entdecken. Laut Johannes Lücht stand sogar ein Barren neben Gumpertz' Haus.

 Maßgeblichen Anteil hatten die Brüder Gumpertz am Kauf, Transport und Aufbau der Baracke aus Sedelsberg, die auf dem Fehntjer Marktplatz als Turnhalle hergerichtet wurde und noch heute diese Aufgabe erfüllt.

 Nach dem I. Weltkrieg war das Fußballspiel in Deutschland populär geworden. Auch auf dem Fehn fanden sich junge Männer zusammen und gründeten unter Vorsitz von Sally Gumpertz den FC Preußen, der bald in Sportvereinigung umbenannt wurde. Schwerpunkte der Vereinsarbeit waren Fußball, Handball und Leichtathletik. Die Gebrüder Gumpertz gehörten bald zu den eifrigsten Förderern und ehrenamtlichen Helfern. Sie übernahmen zum Beispiel das Amt des Schiedsrichters und Betreuers. Hermann Gumpertz trainierte eine Zeitlang die Fußball-Herrenmannschaft.

 Im Protokollbuch des Vereins ist zu lesen, dass Sally Gumpertz in den Jahren 1924 und 1925 große Jugendleichtathletikwettkämpfe organisierte, an denen sich fast alle Schulen des westlichen Overledingerlandes beteiligten. Fast 800 erwachsene Zuschauer sollen auf dem Sportplatz die Wettkämpfe verfolgt haben. Die Schulräte Kunze aus Leer und Dr. Zeplien aus Weener nahmen höchstpersönlich die Siegerehrung vor und lobten seinen hervorragenden Einsatz. In Leer nahm Sally mit weiteren Vereinsmitgliedern 1925 auch selbst an einem Leichtathletikwettkampf teil, wobei er mit 8,26 m den dritten Platz im Kugelstoßen belegte und an dem zweiten Platz der 100-Meter-Staffel sicher auch einen Anteil hatte.

 Um die großen Unkosten decken zu können, die durch den Kauf und die Herrichtung der Turnhalle entstanden waren, gab der Verein TuRa 07 im Jahre 1929 Aktien zu 50 RM heraus, die mit 4% verzinst und später nach und nach wieder eingelöst werden sollten. Hermann Gumpertz erwarb auch einen solchen Anteilschein. Durch die Weltwirtschaftskrise waren die Finanzplanungen des Vereins aber zum Scheitern verurteilt. Denn als der Landkreis Leer im Jahre 1936 - als Hermann Gumpertz mit seiner Familie schon längst nach Holland geflohen war - dessen Aktie an TuRa 07 zurückverkaufen wollte und am 21. 1. 1936 sogar einen Pfändungsbeschluss gegen den Verein erwirkte, um auf diese Weise eine noch offene  Gumpertzsche Krankenhausrechnung zu begleichen, war der Verein total überschuldet und zahlungsunfähig. Fast alle Eigner von Anteilscheinen hatten diese zwischenzeitlich schon ohne Gegenleistung zurückgegeben und auch auf die Rendite zugunsten des Vereins verzichtet. Da auch Hermann Gumpertz auf dieser illustren Liste der Fehntjer Prominenz aufgeführt war, aber nicht mehr verzichten konnte, weil er schon im Ausland war, kann man davon ausgehen, dass seine Familie zu den "oberen Zehntausend" gerechnet wurde.

 Es gab allerdings einen entscheidenden Unterschied zwischen den Gumpertz' und den übrigen prominenten Fehntjer Familien bei ihrem politischen Engagement. Während die bürgerlichen und intellektuellen Kreise auf dem Fehn eher konservativ waren, gehörten die Gumpertz-Brüder zur     SPD und zum Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, der "Kampforganisation" der Sozialdemokraten in der Weimarer Zeit. Sie waren nicht nur einfache Mitglieder, sondern arbeiteten aktiv im Vorstand und als Deligierte mit. Dieses Engagement resultiert wahrscheinlich zum einen aus der Tatsache, dass die Gumpertz 'aus einem großstädtischen Umfeld kamen, und es in den goldenen zwanziger Jahren dort unter jungen Leuten als schick galt, "links" zu sein. Weit gewichtiger ist aber zum andern sicherlich die Erkenntnis gewesen, dass im "Ernstfall" nur die liberalen und demokratischen Parteien wie die Deutsche Demokratische Partei, die Deutsche Volkspartei und eben die SPD bereit sein würden, für die parlamentarische Demokratie und damit für die Minderheitenrechte einzutreten. Die historische Entwicklung ab 1930 hat ihnen leider recht gegeben.

 Wie Frank Groeneveld im Jahre 1996 in seiner Chronik anlässlich des 50jährigen Jubiläums der SPD-Ortsvereine Ostrhauderfehn und Idafehn berichtet, vertrat Hermann Gumpertz zusammen mit dem Deligierten Noormann die Kreisverbände Leer und Weener bei einer überregionalen SPD-Konferenz am 11. Dezember 1931. Weiter kann man lesen, daß Genosse Gumpertz einen Pfingstausflug nach Klosterbusch organisierte. Der hat wohl hauptsächlich den Kindern gut gefallen, denn Rosa Schilling geborene Klock konnte sich noch gut daran erinnern.

 Auch Gendarmerie-Wachtmeister Tielker aus Collinghorst schrieb im Sommer 1934 in seinem Bericht an den Landkreis Leer, dass Hermann Gumpertz Mitglied des Reichsbanner war und die SPD auch geldlich unterstützte. Die "früheren SPD-Führer von Westrhauderfehn" sollen sogar alle Maßnahmen mit ihm besprochen haben. Davon berichtet auch Johannes Lücht, dessen Vater damals Reichsbanner-Vorsitzender in Westrhauderfehn war.

 Sally Gumpertz war 1. Schriftführer in der Westrhauderfehner Ortsgruppe des Reichsbanner. Als er am 29. 4. 1928 mit Frau Frieda und Tochter Ruth Westrhauderfehn verließ und nach München zog, wurde er von einer Abordnung der Ortsgruppe am Bahnhof in Westrhauderfehn verabschiedet. Der Volksbote, das hiesige Wochenblatt der SPD, berichtete darüber am 8. Mai 1928 und bedauerte, dass die Ortsgruppe durch den Fortzug des Kameraden Gumpertz einen zielbewußten und allzeit bereiten Mitarbeiter verlöre.

 Warum Sally Gumpertz sich am 27. 4. 1928 mit seiner Familie beim Einwohnermeldeamt in Westrhauderfehn mit neuem Wohnort München abmeldete, wissen wir nicht. Dass die Firma Hermann Gumpertz & Co. kein Betrieb mit großen Gewinnspannen war, lässt sich schon an dem Vergleichsverfahren 1926 ablesen. Vielleicht wurde Sally damals ein guter Arbeitsplatz in seiner Branche angeboten, denn in den Jahren 1925 bis 1928, während der "Stresemann-Ära", gab es infolge des Dawesplans einen bescheidenen wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland, der die Menschen wieder hoffnungsvoll in die Zukunft blicken ließ. Die Weltwirtschaftskrise von 1929 machte dann aber alle Zukunftsträume wieder zunichte.

 Von Sally  und seiner Familie erfahren wir danach kaum noch etwas.

1933 soll er Prokurist bei der Firma Bamberg & Herz in Köln gewesen sein. Das letzte Lebenszeichen gibt es von Frieda/Frauke Gumpertz geb. Meyer vom 23. 12. 1938, denn an dem Tag hat sie eine Erklärung unterschrieben, dass sie ab 1. Januar 1939 den zusätzlichen Vornamen Sara führen muss gemäß § 2 der 2. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 17. August 1938. Dies ist neben ihrem Geburtseintrag im Geburtsregister des Standesamtes Westrhauderfehn vermerkt. Dieser Vermerk wurde dann nach der NS-Zeit laut Verordnung vom 16. 2. 1948 am 17. 8. 1959 wieder gelöscht. 

 Um die Jahreswende 1938/39 lebte Sally Gumpertz mit seiner Familie demnach noch in Deutschland.

 Bei der Firma Hermann Gumpertz & Co. hat sich die Weltwirtschaftskrise sicherlich auch auf die Bilanzen ausgewirkt, denn es gab ab 1929 von Jahr zu Jahr mehr Arbeitslose und damit schwindende Kaufkraft bei den kleinen Leuten und beim Mittelstand. Kaum jemand konnte sich noch einen Pelzmantel oder modische Lederstiefel leisten; andererseits hatten die Flickschuster viel zu tun, so dass der Ledergroßhandel durchaus noch Absatzmöglichkeiten hatte. Jedenfalls war die Firma Hermann Gumpertz & Co. 1933/34, als die Familie sich nach Holland absetzte, durchaus noch ein solventes Unternehmen, obwohl die damit befassten Behörden und Parteistellen damals verbreiten ließen, Hermann Gumpertz habe einen völlig maroden Betrieb hinterlassen und sich ins Ausland davongemacht, damit er wegen seiner Schulden nicht zu belangen sei. Da er sich gegen diese Verleumdungen nicht mehr wehren konnte, hat sich sein Image als Schuldenmacher bis heute hartnäckig in den Köpfen vieler Fehntjer gehalten.

 Was Hermann Gumpertz bewog, mit seiner Familie Deutschland zu verlassen, waren nicht seine Schulden, sondern die politischen Verhältnisse. Am 30. Januar 1933 war Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden. Schon gleich im Februar 1933, nach dem Reichstagsbrand, gab es nach vorbereiteten Listen die ersten großen Verhaftungswellen unter den politischen Gegnern. Damit sie nicht durch eine Flucht ins Ausland der Verfolgung entkommen konnten, entzog man ihnen von Amts wegen die Reisepässe.

 Als Hitler dann durch das Ermächtigungsgesetz vom 23. 3. 1933 befugt war, ohne den Reichstag zu regieren, wurde die "Gleichschaltung" in Angriff genommen: Juden und missliebige Personen wurden aus dem öffentlichen Dienst entfernt, KPD, SPD und Gewerkschaften wurden verboten und ihr Vermögen beschlagnahmt, alle übrigen Parteien, Verbände und Jugendgruppen lösten sich im Laufe des Jahres 1933 selbst auf oder wurden verboten, nur die Organisationen der NSDAP blieben übrig. Arbeitnehmer und Arbeitgeber wurden in der Deutschen Arbeitsfront zusammengefasst, Juden konnten nicht Mitglieder werden. Künstler und Intellektuelle mussten in die Reichsschrifttumskammer eintreten, auch hier war kein Platz für Juden. Die Medien wurden zensiert und ganz in den Dienst der neuen Machthaber gestellt, es wurde eigens ein Propagandaministerium dafür geschaffen.

 Auch hier in Ostfriesland gab es bald die ersten Opfer der NS-Regierung: Prominente SPD-Lokalpolitiker wie Wilhelmine Siefkes und Louis Thelemann aus Leer, sowie Hermann Saul aus Heisfelde wurden aus dem öffentlichen Dienst entlassen, andere wie Ippe Oltmanns aus Bunde, Karl Mohrmann aus Rajen und Friedrich Geerdes aus Leer wurden strafversetzt. Der SPD-Reichstagsabgeordneter Hermann Tempel aus Leer und der Herausgeber des Volksboten, Hans Mozer aus Emden, flohen nach Holland, weil sie per Haftbefehl gesucht wurden. Selbst in Holterfehn und Idafehn gab es nachts Razzien bei KPD-Mitgliedern.

 Da Hermann Gumpertz schon jahrelang zur Lokalprominenz der SPD und des Reichsbanner "Schwarz-Rot-Gold" gehört hatte und außerdem noch Jude war, schien es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis man ihn auch "abholte". Seinen gültigen Reisepaß, der ihm 1930 vom Landkreis Leer ausgestellt worden war, hatte der Gendarmerie-Wachtmeister Tielker aus Collinghorst ihm schon abgenommen. Dass er damals die politische Entwicklung klar erkannte, bestätigt auch Johann Korrelvink. Er erinnert sich, dass sein Vater im Sommer 1933 nach einem Besuch bei seinem ehemaligen Nachbarn Gumpertz sich dahingehend äußerte.

 Ob am 1. April 1933 anlässlich der Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte in ganz Deutschland auch vor Gumpertz' Haus in der Rhauderwieke SA-Posten aufmarschierten, um etwaige Käufer abzuschrecken, ist nicht überliefert. Tatsache ist jedoch, dass sich seine Skatfreunde ziemlich bald von ihm abwandten und auch die Mitglieder des Sportvereins sich unter irgendwelchen Vorwänden nach und nach zurückzogen.

 Offensichtlich ist jedenfalls, dass die Familie Gumpertz gegen Ende des Jahres 1933 nicht mehr darauf hoffen konnte, dass sich die politischen Verhältnisse in Deutschland bald wieder ändern würden. Sie zog die Konsequenzen und wagte einen Neuanfang im Nachbarland Holland.

 Wann genau die Familie Gumpertz die Grenze nach Holland überschritt,   lässt sich nicht mehr nachvollziehen, da sie sich beim Einwohnermeldeamt in Rhaudermoor aus verständlichen Gründen nicht abgemeldet hat. Auch hatte Hermann Gumpertz seine geschäftlichen Belange nicht geregelt, aus diesem Grunde blieben einige Außenstände offen und mehrere Rechnungen unbezahlt. Es ist auch nicht mehr festzustellen, ob er zunächst allein ins Nachbarland wechselte, während seine Familie sich noch bei Verwandten aufhielt, bis er für einen dauerhaften Aufenthalt dort die nötigen Vorbereitungen getroffen hatte.

 Fest steht jedenfalls, dass die beiden Töchter in der Schule Rhauderwieke ordnungsgemäß abgemeldet wurden, und zwar Helene am 3. Februar 1934 nach Sögel und Beate am 8. 2. 1934 nach Petershagen. So kann man es im Schülerverzeichnis unter "Bemerkungen" lesen. Ob sie dann in den angegebenen Schulen auch wirklich angemeldet wurden, wissen wir nicht.

Dies könnte aber auch darauf hindeuten, dass das Ehepaar Gumpertz die Kinder vorerst bei Verwandten unterbrachte und allein den Grundstein für einen Neuanfang in Holland gelegt hat.                         

 Etwa Mitte Februar 1934 muss Hermann Gumpertz sich in Amsterdam angemeldet haben, denn schon mit Datum vom 20. Februar 1934 fragte die Fremdenpolizei in Amsterdam, Het Hoofdbureau van Politie, routinemäßig bei der Polizeiverwaltung in Leer nach einem Führungszeugnis, auch in politischer Hinsicht, des Hermann Gumpertz.

 Die parteilich ausgerichteten Behörden beim Landkreis Leer wurden hellhörig, als sie merkten, dass er ihrem Zugriff entwischt war und berichteten nach Amsterdam, dass er Schulden hinterlassen und Urkundenfälschung begangen habe und außerdem ohne gültige Papiere die Grenze überschritten habe. Daraufhin erwog die niederländische Fremdenpolizei schon, ihn nach Deutschland "zurückzuschieben".  Bevor sie sich allerdings zu einem so folgenschweren Schritt entschloss, bat sie die Behöden des Landkreises Leer noch einmal um eine detaillierte Auskunft, denn Hermann Gumpertz hatte zwischenzeitlich erklärt, dass er ein politischer Flüchtling sei und dass seine Verwandten in Deutschland seine Schulden wohl begleichen könnten. Als Referenzen für seine Rechtschaffenheit gab er den Schuhmacher Folli Kirchhoff in der Rhauderwieke und den Viehhändler Alfred Weinberg in Westrhauderfehn an.

 Diese gezielte Anfrage der Fremdenpolizei in Amsterdam löste bei den verschiedenen Dienststellen in Leer und Aurich einen umfangreichen Schriftverkehr aus, der sich bis zum Juni 1935 hinzog. Nachdem die Amsterdamer Fremdenpolizei allerdings von der Stellungnahme des Collinghorster Landgendarmen Tielker vom 18./25. 7. 1934 erfahren hatte, nahm sie von einer Ausweisung des Hermann Gumpertz nach Deutschland Abstand. Tielker hatte zwar auch von Schulden bei drei Firmen, bei der Gemeinde Rhaudermoor und bei seinem Buchhalter Meyer aus Holte berichtet, da diese aber nicht so hoch beziffert waren und durch einen vollstreckbaren Titel mit den noch laufenden Mieteinnahmen verrechnet werden konnten, ging man in Amsterdam anscheinend nicht von betrügerischen Absichten aus. Den Ausschlag gab mit Sicherheit die detaillierte Auskunft des Gendarmen über die exponierte Stellung des Hermann Gumpertz in der SPD und im Reichsbanner "Schwarz-Rot-Gold" auf lokaler Ebene.

 Da nunmehr der Landkreis Leer es im Laufe des Sommers 1934 für immer unwahrscheinlicher hielt, dass eine Ausweisung von Hermann Gumpertz aus Holland noch  erfolgen würde, veranlasste Landrat Hermann Conring mit einem Schreiben vom 17. 8. 1934 Gumpertz' ehemalige Hausbank, die Gewerbe- und Handelsbank in Westrhauderfehn, ihn wegen Betrugs anzuzeigen. Die Bank hatte zwar bisher gar kein Interesse gehabt, sich noch mit den Schulden des geflohenen Geschäftsmannes auseinanderzusetzen, hielt es jedoch nicht für ratsam, sich mit den "gleichgeschalteten" Behörden anzulegen. Am 1. Oktober erstattete sie Anzeige, und die Staatsanwaltschaft Aurich nahm die Ermittlungen auf, allerdings nur halbherzig. Der Oberstaatsanwalt teilte dem Lankreis Leer am 26. Januar 1935 mit, dass er beim Amtsgericht Leer einen Haftbefehl gegen Hermann Gumpertz beantragt hätte wegen Betrugs und schwerer Urkundenfälschung, dass er es aber ablehne, einen Auslieferungsantrag zu stellen, worauf die Behörden in Leer gedrängt hatten.

 Als nun keine Aussicht mehr bestand, seiner habhaft zu werden, stellte der Landrat in Leer am 20. III. 1935 beim Regierungspräsidenten in Aurich den Antrag, dem Hermann Gumpertz die deutsche Staatsangehörigkeit abzuerkennen, wie es nach einem Gesetz vom 14. Juli 1933 möglich war und seitdem bei etlichen prominenten politischen Flüchtlingen praktiziert worden war. In einem solchen Fall konnte man den gesamten inländischen Besitz konfiszieren. Den Zwangsversteigerungsvermerk des Gumpertzschen Anwesens in Rhaudermoor hatte man vorsorglich schon am 17. Dezember 1934 ins Grundbuch eintragen lassen und den Termin am 12. Februar 1935 im Auricher Amtsblatt veröffentlicht. In Aurich vermerkte ein linientreuer Sachbearbeiter handschriftlich auf dem Antrag des Landrats Conring: "Ich bemerke, daß der Jude Gumpertz wie üblich als politischer Flüchtling auftritt, während er nachweislich ein ganz gemeiner Verbrecher ist. Sollte man solche Fälle nicht propagandistisch ausnutzen?"

 Damit waren die Möglichkeiten des Landkreises Leer erschöpft. Hermann Gumpertz konnte in Holland bleiben. Da er schon sehr frühzeitig ins Nachbarland hinüberwechselte, war es ihm sicherlich möglich, dort für sich und seine Familie eine Existenz aufbauen. Im Jahre 1935 holte er auch noch seinen alten Vater Siegesmund und seine Stiefmutter Bertha aus Holten zu sich nach Holland, auch sie sind im Deportationslager Westerbork registriert worden.   

 Nach der Besetzung Hollands durch die deutschen Truppen im Mai 1940 wiesen die Besatzungsbehörden schon recht bald alle Verwaltungsdienststellen, Verbände, Betriebe, Schulen, Kirchen und Vereine an, die Juden auf gesonderten Listen zu führen. Da dieser Anordnung damals in Holland meistenteils Folge geleistet wurde, wofür sich viele Holländer heute noch schämen, war es später kein großes Problem mehr, die Juden "aufzuholen", nachdem auf der Wannseekonferenz am 20. 1. 1942 die "Endlösung der Judenfrage" beschlossen worden war.

 Die Juden wurden in das Lager Westerbork nahe der deutschen Grenze unweit von Assen gebracht. Dieses Camp war 1939 als zentrales Flüchtlingslager in einem unwirtlichen Moorgelände entstanden, um die vielen Flüchtlinge aus Deutschland unterbringen zu können. Als die deutschen Truppen Holland besetzten, wohnten dort etwa 800 deutsche Flüchtlinge, die illegal die Grenze nach Holland überschritten hatten, zum größten Teil Juden. Sie hatten keine Möglichkeit mehr zur Flucht, obwohl es viele noch versuchten.

 Das Lager wurde von nun an mit militärischer Disziplin verwaltet, doch der Kommandant war immer noch ein holländischer Soldat, der dem Justizministerium unterstellt war. Verglichen mit den Konzentrationslagern in Deutschland ging das Leben dort noch einigermaßen "normal" vonstatten. Man durfte zwar das Lager nicht verlassen, es gab wenig zu essen und die Post wurde zensiert, aber für die Kinder gab es eine Schule, und die Erwachsenen mussten in der Landwirtschaft oder in einem der vielen Lagerdienste arbeiten, wie zum Beispiel in der Küche, der Wäscherei, im Krankenhaus, in der Nähstube oder in der Tischlerei. In der Freizeit wurden kulturelle Abende organisiert und Sprachkurse besucht.

 Das änderte sich nach der Wannseekonferenz. Ab Februar 1942 wurden viele neue Baracken gebaut, und im Juni desselben Jahres übernahm dann die SS die Verwaltung. Ein Stacheldrahtzaun und Wachttürme umgaben jetzt das Areal. "POLIZEILICHES JUDENDURCHGANGSLAGER" stand in großen Lettern über dem Eingangstor. Alle aus Deutschland stammenden Juden in Holland wurden hier zusammengezogen, und am 15. Juli 1942 fuhr der erste Zug vollgepfropft mit Menschen, direkt aus dem Lager nach Auschwitz.

 Auf diese Weise schafften die deutschen Besatzer die meisten Juden aus dem besetzten Holland in die Vernichtungslager. Jede Woche fuhren zwei Transporte, zuerst nach Auschwitz, ab März 1943 dann nach Sobibor und ab September 1943 wieder nach Auschwitz. Dazu kamen ab Januar 1944 auch noch Transporte nach Bergen-Belsen und vereinzelt nach Theresienstadt. Die Lücken, die die Deportierten hinterließen, wurden durch "Aufholen" der niederländischen Juden aufgefüllt, bis man glaubte, ein "judenfreies" Land zu haben. Der letzte Transport von Westerbork ging am 13. September 1944 nach Bergen-Belsen.

 Da alle Lagerbewohner registriert wurden und die Listen heute noch vorhanden sind, kann man die Namen der Deportierten in den Gedenkboeken der Oorlogsgravenstichting nachlesen. Das Lager ist heute eine Gedenkstätte.

 Im Band 13 dieser Gedenkboeken finden wir auch die Mitglieder der Familie Gumpertz. Helene und Beate wurden schon mit dem Transport am 28. 9. 1942 zusammen mit 608 weiteren Personen - darunter auch Walter Cohen aus der Rhauderwieke - nach Auschwitz deportiert. Sie starben zwei Tage später, am 30. 9. 1942. Die Großmutter Bertha Gumpertz geborene Sander verstarb noch im Lager Westerbork am 1. April 1943 im Alter von 75 Jahren. Den neunzigjährigen Großvater Siegesmund Gumpertz schickte man knapp drei Wochen später, am 20. April 1943, nach Sobibor, wo er am 23. 4. 1943 umgebracht wurde.

 Die Eltern Hermann und Adele Gumpertz wurden mit dem Transport am 11. Mai 1943 nach Sobibor verbracht. Während Frau Adele am 14. Mai 1943 gleich nach der Ankunft in die Gaskammer getrieben wurde, teilte man Hermann Gumpertz den Arbeitshäftlingen zu, die für die Aufrechterhaltung des Lagerbetriebs zu sorgen hatten. Er kam am 30. 11. 1943 in Dorohusk (Dorochusk) zu Tode. Dieser Ort liegt am Bug, etwa 30 km südlich von Sobibor.

 Das Lager Sobibor lag in einem abgeschiedenen Wald- und Sumpfgebiet im östlichen Polen und nahm im April 1942 den Betrieb auf. Laut Thomas T. Blatt, einem der wenigen Überlebenden, war es ein reines Vernichtungslager, in dem bis zum Oktober 1943 über eine Viertelmillion Menschen umgebracht wurden, darunter allein über 34000 aus den Niederlanden. Fast alle wurden direkt vom Transportzug durch die "Himmelfahrtsstraße" in die Gaskammern getrieben. Es gab keine "Rampe" zur Selektion wie in Auschwitz, nur ab und zu wurden willkürlich einige Ankömmlinge zurückbehalten, um die Lücken in der ca. 350 Mann starken Gruppe der Arbeitshäftlinge aufzufüllen, die für den reibungslosen Ablauf im Lager vonnöten waren.

 Hermann Gumpertz muss auch solch ein jüdischer Arbeitshäftling gewesen sein, denn Thomas T. Blatt berichtet u. a. "Am 7. Mai traf ein neuer Transport aus Holland ein und wurde über Nacht abgefertigt. In einer Ecke neben einem Laternenpfahl bemerkte ich etwa dreißig neue junge Leute. Offensichtlich handelte es sich um eine Gruppe, die man direkt aus dem Transport herausgesucht hatte, um diejenigen zu ersetzen, die in den vergangenen Wochen getötet worden waren oder Selbstmord begangen hatten."                                                         Auf ähnliche Art und Weise ist höchstwahrscheinlich eine Woche später, am 14. Mai, auch Hermann Gumpertz aussortiert worden. Es ist möglich, dass er in der Lederwerkstatt für die Ausstattung der Lagerleitung arbeiten musste, da er ja vom Fach war.

 Allen Arbeitshäftlingen war klar, dass niemand von ihnen jemals wieder lebend das Lager verlassen würde. Nachdem im Spätsommer 1943 auf dem Lagergelände noch neun Bunker errichtet wurden, in denen Beutemunition von der sowjetischen Front größtenteils von Frauen unter strengster Bewachung sortiert werden musste, beschlossen einige fronterfahrene russische und polnische Häftlinge, einen Aufstand zu wagen, um dem sicheren Tod zu entkommen. Der Plan wurde sorgfältig vorbereitet und am 14. Oktober 1943 ausgeführt. Innerhalb einer Stunde lockte man nacheinander zehn SS-Männer unauffällig in die Schneiderei und in die Schusterwerkstatt und tötete sie. Ihr erstes Opfer war der diensthabende Lagerkommandant von Sobibor, SS-Untersturmführer Johann Niemann, der aus Völlen stammte. Ausgerüstet mit den Waffen der getöteten SS-Männer stürmten die Häftlinge die Waffenkammer und überwältigten - auch mithilfe beiseitegeschaffter Beutemunition - etliche Lagerwachen und öffneten das Tor.

 Unter den ca. 300 entkommenen Häftlingen hat sich mit Sicherheit auch Hermann Gumpertz befunden. Einige kamen in dem Minengürtel zu Tode, der das Lager umgab; viele wurde im Laufe der nächsten zwei Wochen in der Umgebung aufgespürt und erschossen. Laut Thomas T. Blatt waren 100 Soldaten der Wehrmacht, 100 berittene Polizisten, 150 Ukrainer und SS-Männer und 500 Mann der 2. und 3. SS-Kavallerie-Brigade an der Menschenjagd beteiligt. Dazu kamen noch Freiwillige, örtliche Polizeieinheiten und Kollaborateure sowie Aufklärungsflugzeuge der Luftwaffe. Bis Anfang November hatte man ein Großteil der Flüchtlinge aufgegriffen und getötet. Laut Richard Rashke wurden in den darauffolgenden Wochen noch etliche wegen der hohen Kopfgeldprämien, die die deutschen Besatzungsbehörden ausgesetzt hatten, von der einheimischen Bevölkerung verraten. Manche Flüchtlinge überstanden auch die folgenden Wintermonate nicht. Insgesamt haben nur 53 der ausgebrochenen Juden von Sobibor die Zeit bis zum Kriegsende überlebt.

 Da Hermann Gumpertz aus dem I. Weltkrieg Fronterfahrung besaß, konnte er sich bis Dorohusk am Bug durchschlagen, wo er dann letztendlich am 30. November 1943 doch gefasst und umgebracht wurde. Mit ihm zusammen auf der Flucht war höchstwahrscheinlich der Bäcker Julius Israels aus Stadskanaal (* 24.11.1908 in Sappemeer), der laut Els Boon und Han Lettinck ebenfalls am 30. November 1943 in Dorohusk ums Leben gekommen ist.

 Im Vernichtungslager Sobibor selbst wurden die zurückgebliebenen Arbeitshäftlinge allesamt erschossen. Das Lager wurde dann geschlossen und von auswärtigen Sonderkommandos abgebaut.

 

 




Zeichenerklärungen

*   geboren

 oo  verheiratet

+   gestorben

#   begraben


======================================================================

Familie Gumpertz - Übersicht

======================================================================

Die Familie Gumpertz stammt urspünglich aus dem Rheinisch-Bergischen Raum. Später wurden
verschiedene Angehörige dieser Familie im Gebiet um Holten und Sterkrade sesshaft.
 
======================================================================
 
Eltern (A)
 
A
 
Siegesmund Gumpertz             I. oo             Helene Schönfeld  
*  4.  2. 1853 Holten          vor 1888           *                 
+ 20.  4. 1943 Sobibor                            + vor 1900                          
 
 
                               II. oo             Bertha Sander      
                               vor 1901           *  3. 10. 1867      
                                                     Breslau          
                                                  +  1.  4. 1943      
                                                     Lager Westerbork  
                                                     StAmt Westerbork  
                                                     Nr. 101 / 1943    
 
Von Siegesmund Gumpertz' erster Ehefrau Helene sind keine Daten überliefert. Sie stammt
wahrscheinlich aus dem Großraum Frankfurt/Main, denn in Dörnigheim/Maintal wurde der älteste
Sohn Sally geboren, während die übrigen bisher bekannten Kinder in Holten zur Welt kamen.
Nach dem Tod seiner Frau Helene heiratete Siegesmund Gumpertz in zweiter Ehe Berta Sander.
Aus dieser Ehe entstammen der jüngste Sohn Julius und die Tochter Helene. Das Ehepaar ist
1935 noch im hohen Alter nach Holland ausgewandert, wahrscheinlich zu der Familie des Sohnes
Hermann. Beide Eheleute wurden im Lager Westerbork interniert, wo Frau Berta verstarb,
während Siegesmund selbst kurze Zeit später nach Sobibor deportiert und dort umgebracht
wurde.                                    
 

======================================================================
 
Kinder (B)
 
B.1.
 
Sally Gumpertz                   oo           Frauke/Frieda Meyer   
*  6.  5. 1888                15. 5. 1922     * 15.  5. 1885          
    Dörnigheim                  Sögel           Westrhauderfehn       
+                                             +                        
 
Sally Gumpertz war von Beruf Kaufmann. Als solcher wird er auch im Adressbuch des Kreises
Leer von 1926 aufgeführt. Nachdem er aus dem I. Weltkrieg zurückgekehrt war, baute er mit
seinem Bruder Hermann zusammen in Rhaudermoor einen Fell- und Ledergroßhandel auf. Aus einer
amtlichen Mitteilung im Amtsblatt der Regierung Aurich von 1926 geht hervor, dass er
Mitinhaber der Firma Hermann Gumpertz & Co. war. Von 1921 bis 1923 hat er laut
Westrhauderfehner Meldeverzeichnis in Essen und Sterkrade gewohnt und vielleicht auch
gearbeitet. 1923 zog er jedenfalls mit seiner Ehefrau Frieda geborene Meyer, einer Schwester
seiner Schwägerin Adele Meyer, wieder nach Westrhauderfehn in die 1. Südwieke zu Coob
Schoemaker. Am 27. 4. 1928 übersiedelte er mit Frau Frieda und der vierjährigen Tochter Ruth
nach München. 1933 soll er bei der Firma Bamberg & Herz in Köln Prokurist gewesen sein.
Sally Gumpertz engagierte sich während seiner Westrhauderfehner Zeit in der Ortsgruppe des
Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, deren Schriftführer er war. Er gründete einen Fußballclub und
nahm aktiv an leichtathletischen Wettkämpfen beim Sportverein TuRa 07 teil.
Nach 1933 verliert sich die Spur dieser Familie. Im Geburtsregister des Standesamts
Westrhauderfehn, Blatt 26/1885 ist vermerkt, daß Frauke/Frieda Gumpertz geborene Meyer am
23. 12. 1938 eine Erklärung unterzeichnet hat, dass sie ab 1. 1. 1939 den zusätzlichen
Vornamen "Sara" angenommen hat. Wo Frau Frieda diese Unterschrift geleistet hat, ist nicht
vermerkt; jedenfalls geht daraus hervor, dass sich die Familie Ende 1938 in Deutschland
aufhielt. Es ist zu befürchten, dass alle im Holocaust umgekommen sind.
 
.....................................................................
 
Weitere Daten zu den Eltern und Geschwistern Meyer: Siehe Familienübersicht DE LEVIE B.6. ! 

                                         
 
----------------------------------------------------------------------
 
B.2.
 
Hermann Gumpertz                  oo             Adele Meyer         
* 13.  4. 1892 Holten         17. 11. 1919       * 21. 2. 1897 Sögel 
+ 30. 11. 1943 Dorohusk          Sögel           + 14. 5. 1943 Sobibor
                                                                      
 
Hermann Gumpertz war wie sein Bruder Sally im I. Weltkrieg Soldat. Er muss schon 1919 zu dem
ledigen Onkel seiner zukünftigen Frau, Samuel de Levie, in die Rhauderwieke gezogen sein,
denn bei seiner Heirat in Sögel, wird als Wohnort "Rhaudermoor" angegeben. Mit seinem Bruder
Sally gründete er den Fell- und Ledergroßhandel "Hermann Gumpertz & Co." und beschäftigte
zeitweise eine Menge Personal. Im Adressbuch des Kreises Leer von 1926 wird seine Firma auch
unter diesem Namen geführt, ebenfalls in dem Vergleichsverfahren von 1926, worüber im
Amtlichen Mitteilungsblatt Nr. 29 der Regierung zu Aurich am 17. Juli die Öffentlichkeit
informiert wurde. 
Hermann Gumpertz und Frau Adele hatten drei Kinder, die alle in Rhaudermoor geboren wurden:
die beiden Töchter Helene und Beate und den Sohn Manfred, der leider schon im Säuglingsalter
verstarb.
Die Familie gehörte auf dem "Fehn" zu den "oberen Zehntausend" der Bevölkerung. Alle
Mitglieder der Familie waren begeisterte Sportler und engagierten sich in der
Spielvereinigung und beim Traditionsverein TuRa 07.
Aktiv war Hermann Gumpertz auch in der lokalen Politik. Er war Mitglied in der SPD und im
"Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold". Diese Mitarbeit an exponierter Stelle in einer "linken"
Partei veranlasste ihn Anfang 1934, mit seiner Familie nach Holland zu emigrieren. Dem
umfangreichen Schriftwechsel zwischen der niederländischen Fremdenpolizei und den lokalen
Dienststellen in Leer und Aurich im Anschluss an seine Flucht kann man entnehmen, dass
Hermann Gumpertz über kurz oder lang für eine Inhaftierung vorgesehen gewesen war. Seinen
gültigen Reisepass hatte man ihm schon bald nach dem Reichstagsbrand abgenommen.
Während der deutschen Besatzungszeit wurde die gesamte Familie über das Lager Westerbork
nach Auschwitz bzw. nach Sobibor deportiert und dort umgebracht. 
 
......................................................................
 
Weitere Daten zu den Eltern und Geschwistern Meyer: Siehe Familienübersicht DE LEVIE B.6. !
 
......................................................................
----------------------------------------------------------------------
 
B.3.
 
Erna Gumpertz                    oo           Gottfried Müller     
* 21.  9. 1895 Holten         vor 1927        * 19. 10. 1897 Emden 
+ 29.  1. 1943 Auschwitz      Holten ?        + 16.  2. 1943 Auschwitz
       (Transporttermin)                                                
 
Für Erna Gumpertz sind zwei unterschiedliche Geburtsorte überliefert: Anlässlich der Geburt
ihres Sohnes Paul in Emden wird Holten als Geburtsort genannt, während in dem Gedenkbuch in
Berlin Sterkrade angegeben wird.
  Weitere Daten : Siehe Familienübersicht DE LEVIE C.3.!
 
......................................................................
 
Weitere Daten zu den Eltern und Geschwistern Müller: Siehe Familienübersicht DE LEVIE B.6.! 

                                             
......................................................................
----------------------------------------------------------------------
 
B.4.
 
Julius Gumpertz                                                       
* 16. 10. 1901 Holten       
+  2.  4. 1920 Voerde bei Wesel 
 
Julius Gumpertz entstammt der zweiten Ehe seines Vaters mit Bertha geb. Sander. Er
beteiligte sich als Freiwilliger bei den Reichswehrtruppen, die gegen die Rote Ruhrarmee
kämpften. Er ist dabei in Voerde zu Tode gekommen. Laut Dieter Dreetz, Bewaffnete Kämpfe in
Deutschland 1918 - 1923, befand sich in Voerde eine Kampfleitungsstelle der Roten Ruhrarmee.
Julius Gumpertz' Tod als Angehöriger der Reichswehrtruppen wird von der Tante zweiten
Grades, Julie Meyer geborene Heymann aus Hamborn, überliefert.
 
----------------------------------------------------------------------
 
B.5.
 
Helene Gumpertz               oo                Kurt/ Keith Weiss  
*                          2.1.1933             *  4.  4. 1906          
                            Kleve                  Frankfurt/Main
+ um 1957  Brisbane                             +  3. 10. 1986 
                                                  Brisbane/Australien
 
Helene Gumpertz entstammt der zweiten Ehe ihres Vaters mit Bertha geb. Sander. Ihr Rufname
war Leni. Von ihr ist kein Geburtsdatum überliefert. In den "Studien zur Geschichte der
Juden in Oberhausen" wird sie unter Helene Weiß, Tochter des Ehepaares Siegmund und Bertha
Sander aufgeführt. Am 2. Januar 1933 heiratete sie in Kleve den Kunsthandwerker und
Handelsmann Kurt Manfred Weiss aus Frankfurt/Main. Zwei Jahre später wurde in Amsterdam ihre
Tochter Inge geboren. Am 25. August 1937 wanderte die Familie per Schiff nach Australien
aus, da dem Großvater Siegismund Gumpertz Europa schon zu unsicher erschien. Vielleicht
hatte er noch vor, mit dem Rest der Familie nachzukommen, was dann nicht mehr möglich war.
Sie landeten in Sydney, wohnten aber bis 1938 in Melbourne. Von dort zog die Familie nach
Toowoomba/Oueensland um, da Kurt Weiss dort Arbeit fand. Noch im selben Jahr ließen sie sich
endgültig in Brisbane nieder.
Kurt Manfred Weiss passte seinen Namen der englischsprachigen Umgebung an und nannte sich ab

dem 24. Oktober 1958 offiziell Keith Maxwell Weiss.

 
======================================================================
 
Enkelkinder (C)
 
Zu B.1.
 
C.1.
 
Ruth Gumpertz       
* 18.  4. 1924 Münster, StAmt Münster Nr. 735/1924                
+              wahrscheinlich im Holocaust umgekommen             
 
Ruth Gumpertz wurde in Münster in der Klosterstraße 81/82 geboren. Dort befanden sich die
Synagoge und das jüdische Zentrum, offensichtlich gab es dort auch ein jüdisches
Krankenhaus. Die Eltern Sally und Frieda Gumpertz konnten Ruth schon bald mit nach
Westrhauderfehn nehmen. Sie meldeten sie dort am 1. 5. 1924 auf dem Einwohnermeldeamt an.
Ruth hatte keine Geschwister. Im Jahre 1928 zog sie mit ihren Eltern nach München. Ihr
weiteres Schicksal ist unbekannt. Wahrscheinlich ist sie im Holocaust umgekommen.
 
======================================================================
 
Zu B.2.
 
C.2.
 
Helene Gumpertz                                                      
*  1. 10. 1920 Rhaudermoor lt. StAmt Rhauderfehn                                           
+ 30.  9. 1942 Auschwitz                                              
 
Helene Gumpertz wurde Leni gerufen. In den Gedenkboeken der Oorlogsgravenstichting des
Lagers Westerbork ist als Geburtstag der 3. 9. 1920 eingetragen. Dieses Datum steht
ebenfalls im Schülerverzeichnis der Volksschule Rhauderwieke, wo Leni am 20. 4. 1927
eingeschult wurde.
Am 3. Februar 1934 wurde Leni dort abgemeldet mit Ziel Sögel. Dort wohnten ihre Verwandten.
Sie ist bald danach zu ihren Eltern nach Holland gezogen und während der deutschen Besatzung
über das Lager Westerbork nach Auschwitz deportiert worden, wo sie umgebracht wurde.
 
----------------------------------------------------------------------
 
C.3.
 
Beate Gumpertz                                                        
* 28.  7. 1925 Rhaudermoor                                            
+ 30.  9. 1942 Auschwitz                                              
 
Beate Gumpertz wurde Ati gerufen. Sie wurde laut Schülerverzeichnis Ostern 1932 in die
Volksschule Rhauderwieke aufgenommen und am 8. 2. 1934 nach Petershagen entlassen.
Sie zog ebenfalls bald zu ihren Eltern nach Holland und wurde auch während der deutschen
Besatzung über das Lager Westerbork nach Auschwitz deportiert und dort umgebracht.
 
---------------------------------------------------------------------
 
C.4.
 
Manfred Gumpertz                                                      
* 12. 1. 1931 Rhaudermoor                                             
+  5. 3. 1931 Rhaudermoor                                             
 
Manfred Gumpertz verstarb als Säugling im Alter von zwei Monaten. Es ist nicht bekannt, wo
er beerdigt wurde.
 
======================================================================
 
Zu B.3.
 
C.5.
 
Paul Müller                                                            
* 24.  2. 1927 Emden                                                   
+ 29.  1. 1943 Auschwitz (Transportdatum)                              
 
Weitere Daten : Siehe Familienübersicht DE LEVIE C.3.!                 
 
======================================================================
 
Zu B.5.
 
C.6  
 
Inge Weiss                     oo          Louis Marcus 
* 29.  1. 1935 Amsterdam     9.1.1955      * 11.  2. 1925 Cessnock/Aus
+                            Brisbane      + vor 2007 Australien
 
 
Inge und Louis Marcus wurden drei Töchter geboren, von denen das jüngste Mädchen Simone noch
am Tage der Geburt verstarb. Die Töchter Deborah und Helene haben inzwischen eigene Familien
mit insgesamt drei Kindern.
Die Witwe Inge Marcus wohnt in Sydney /Australien und hat sich 2007  von dort gemeldet, um
etwas über die Familie ihrer Mutter zu erfahren und um vielleicht noch lebende Verwandte zu
finden. Ihr Lebensgefährte ist der Witwer Jules Hoffman.
 
======================================================================
 
Urenkelkinder (D)
 
Zu C.6 
 
D.1
 
Deborah Marcus                 oo             Avraham/Avi Levy      
* 26.  6. 1957 Brisbane      18.1.1987
                             Sydney/Austr.
 
 
Kinder: Samantha Levy (* 28.4.1988 Sydney), Tasha Levy (* 7.10.1990 Sydney) und Aaron Marcus

Levy (* 25.11.1992 Sydney).
 
----------------------------------------------------------------------
 
Zu C.6.
 
D.2
 
Helene/Leni Marcus             oo               Ravi Vahjangbhey
* 11.  1. 1960 Brisbane     3.2.2002            
                            Sydney/Austr.
 
------------------------------------
 
Zu C.6.
 
D.3 
 
Simone Marcus
* 19.  7. 1963 Brisbane
+ 19.  7. 1963 Brisbane
 
=============================

 
 
Die Daten dieser Familienübersicht entstammen folgenden Quellen:      
 
 
Standesamt Maintal, Geburtsregister                                   
 
Standesamt Münster, Geburtsregister                                    
 
Standesamt Sögel, Geburts-, Heirats- und Sterberegister               
 
Standesamt Rhauderfehn, Geburts- und Sterberegister                   
 
Einwohnermeldeamt Rhauderfehn                                         
 
Auskunft von Inge Marcus, Sydney/Australien                           
 
Auskunft von Herbert Schüürman, Emmerich                              
 
Auskunft von Maria Werth, Emden                                       
 
Schulmuseum Folmhusen                                                  
 
Geschichtsverein Emmerich                                             
 
Staatsarchiv Aurich, Rep 32, 659 und Rep 16/1 Nr. 4412                                     
 
Gedenkboeken der Oorlogsgravenstichting des Lagers Westerbork         
 
Adressbuch der Stadt Emden von 1934                                    
 
 
======================================================================




Bourtanger

Weinberg

Grünberg

Cohen

de Levie

Gumpertz

BenBrith






Zeichenerklärungen

*   geboren

 oo  verheiratet

+   gestorben

#   begraben






adventisten

apostolisch

EC

juden

mennoniten

methodisten

mormonen

muslim

pfingstler

scientology

zeugen